© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Jack Straw
Null Toleranz
von Michael Walker

Als das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung im Unterhaus zur Abstimmung stand, staunte Paul Flynn von Labour. "Du wirst doch nicht etwa für diesen rechten Quatsch stimmen, oder?" fragte ihn der Ex-Tory-Premier John Major. Flynn versicherte, dies keinesfalls zu tun. "Weißt du," philosophierte Major, "ich bin jedes Mal verblüfft, wenn mir klar wird, wie links meine eigene Regierung in Wirklichkeit war." Der Labour-Innenminister Jack Straw gilt als Anti-Liberaler, der sich bemüht, der britischen Öffentlichkeit einzubleuen, Labour würde "hart gegen Kriminalität und ihre Ursachen vorgehen".

Straws Politkarriere begann als Chef der Studentengewerkschaft, er sah aus wie jene "langhaarigen Radikalos" und "bekifften Anarchisten", die er heute so leidenschaftlich denunziert. Der Linke von einst hat sich zu Tony Blairs getreuem Anhänger gemausert. Er gelobte "Null Toleranz" und schuf nach dem Wahlsieg seiner Partei ein Gesetz, das Eltern für die Vergehen ihrer noch nicht strafmündigen Kinder in die Verantwortung nimmt. Vorübergehend trat eine nächtliche Ausgangssperre für Minderjährige in Kraft – wie in vielen US-Städten. Die Pläne Straws sahen weitere Ausgangssperren, Untersuchungsgefängnisse und Körperstrafen für jugendliche Straftäter vor. Seine Vorstöße reichten von einer Gesetzesvorlage, die das Recht auf Geschworenenprozesse einschränkt, über ein polizeiliches Ermächtigungsgesetz zum Verbot von Versammlungen und Demonstrationen bis zu einer Gesetzgebung zum "Schutz der Öffentlichkeit", mit deren Hilfe psychisch Gestörte hinter Schloß und Riegel gehalten werden.

Sehr zum Horror der "antirassistischen" Linken hat Jack Straw verlangt, daß zweifelhafte Asylanwärter eine Kaution von 10.000 Pfund hinterlegen. Asylanten bekommen Lebensmittelgutscheine im Wert von 35 Pfund pro Woche, aber keinerlei Bargeld, die Sozialhilfe wird auf 70 Prozent gestutzt.

Sein Innenministerium hat Gesetzesentwürfe vorgelegt, die die Privatsphäre beeinträchtigen und den Staat stärken: Jeder Internet-Anbieter kann zur Bekanntgabe seines Codes gezwungen werden. Straw versprach, "faschistische und rassistische Organisationen" unter Beobachtung zu stellen. 1999 gab es 2.000 Genehmigungen zum Abhören von Telefonaten, so von Amnesty International.

Straws Klientel ist die britische "Neue Mitte" – jene im Herzen konservativen Wähler, denen Sicherheit ein vorrangiges Anliegen ist. Sie liefen bei den letzten Wahlen en masse zu Labour über, und man möchte sie nicht vergraulen. Straws Maßnahmen ähneln denen seines konservativen Vorgängers Michael Howard. Beide personifizieren den Trend zum Konservatismus, doch ist Straw bei den Konservativen keineswegs unumstritten: Einerseits begrüßen sie seine Initiativen für mehr Recht und Ordnung und gegen eine ungebremste Einwanderung. Andererseits ist er ihnen ein Dorn im Auge, weil er den Machtbereich des Staates allzu sehr ausweitet.


 
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