© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Das zweitgefährlichste Land der Welt
Griechenland: Bericht des amerikanischen Außenministeriums über den internationalen Terrorismus
Gregor M. Manousakis

Mangelnder politischer Wille hat zur "Erfolglosigkeit bei der Bekämpfung des Terrorismus geführt … Griechenland ist das schwächste Glied bei der Bekämpfung des Terrorismus in Europa." So stellt der alljährliche Bericht des US-State Department über "Tendenzen des internationalen Terrorismus" in seiner aktuellen Ausgabe Griechenland dar, um die Schlußfolgerung zu ziehen, nach Kolumbien sei es das "gefährlichste Land" der Welt.

Das Körnchen Wahrheit dabei ist, daß es bisher nicht gelang, der seit 1974 tätigen Terrorbande "Revolutionäre Organisation 17. November" (EO 17. N.) das Handwerk zu legen. Zu ihren Opfern gehören auch amerikanische Beamte in Hellas. In zeitlich großen Abständen – aller zwei bis drei Jahre – fällt sie durch Morde auf und verschwindet wieder. Das ist der Grund, warum sie bisher unauffindbar bleibt. Die Regierung in Athen lehnt diese Vorwürfe als "ungerecht und übertrieben" ab und unterstreicht, daß sie auch mit den USA bei der Terrorismusbekämpfung zusammenarbeite.

Nicht so verhalten war die griechische Presse bei der Beurteilung des Berichtes, die von "lächerlich" bis "infam" reicht. Washington wird vorgehalten, seine Terrorismusvorwürfe dienen der Einschüchterung zur Durchsetzung amerikanischer Interessen. So soll Athen bereits unter Druck stehen, um amerikanische Dienste und Firmen mit der Sicherheit der Olympiade 2004 zu beauftragen. Dabei geht es um Beträge von Hunderten von Millionen Dollar.

In Griechenland ist bekannt, daß Washington wegen der Größe und der Heftigkeit der Demonstrationen gegen Clinton während seines Besuches im vergangenen November vergrämt ist. Außerdem hat der Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Christodoulos, mit Blick auf die Bombardierung Jugoslawiens, Clinton wiederholt vorgeworfen, "es klebe Blut an seinen Händen". Die Heftigkeit der Vorwürfe des State Department mit Blick auf den Terrorismus war daher zu erwarten.

Die Veröffentlichung des Berichtes in den Tagen, in welchen Außenminister Papandreou in Washington für Gespräche mit seinem türkischen Amtskollegen, Çem, weilte, wurde als Indiz dafür gedeutet, Athen werde unter Druck gesetzt, um türkische Forderungen zu befriedigen. Anläßlich der Konferenz der Parlamentspräsidenten des Europarates in Straßburg faßte der griechische Vertreter, Apostolos Kaklamanis, vor diesem Hintergrund die Meinung Griechenlands über den Terrorismusbericht des State Department so zusammen: "Die Herausforderung dieses Berichtes und die unannehmbare Logik seiner Diktion haben mit Recht den Unmut des griechischen Volkes und der Regierung provoziert. Die USA setzen die Frage des Terrorismus so ein, wie sie es früher mit dem Schreckgespenst des Kommunismus und der islamischen Gefahr getan haben, wenn es darum geht, Druck auszuüben oder Politiken zu unterminieren, die ihnen nicht gefallen."


 
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