© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
"Die Würde des Tieres ist unantastbar"
Tierschutz: Beim Berliner Treffen der Tierversuchsgegner referierte der US-Wissenschaftler Tom Regan
Edgar Guhde

Seit den achtziger Jahren hat sich – über den traditionellen Tierschutz hinausweisend – die Bewegung für Tierrechte herausgebildet, philosophisch inspiriert und begründet von den Wissenschaftlern Peter Singer (Princeton University) und Tom Regan (North Carolina State University).

Da Regans Hauptwerk "The Case of Animal Rights" von 1983 noch immer nicht in deutscher Übersetzung vorliegt, war es eine gute Idee des "Bundesverbandes der Tierversuchsgegner – Menschen für Tierrechte" (BTMT), Professor Regan nach Berlin einzuladen, wo er am 20. Mai im Bildungswerk der Evangelischen Kirche in Charlottenburg vor 190 Teilnehmern seine Konzeption vortrug. Ausgehend von der dramatischen Situation der Tiere, insbesondere der "Nutztiere", ihrer millionenfachen Ausbeutung und Mißhandlung, kommt es Regan nicht mehr nur darauf an, Ausbeutung und Mißbrauch zu mildern, sondern kompromißlos gegen jegliche Ungerechtigkeit den Tieren gegenüber aufzutreten. Das bedeutet: Nicht größere Käfige und Boxen, sondern leere, keine "humaneren" Jagdmethoden und Fallen, sondern deren Verbot, keine "Nutztiere" in Landwirtschaft, Zirkussen oder Labors, sondern das Ende der "Gewaltherrschaft über Tiere" überhaupt – weil sie "ein Recht auf ihr Eigenleben, auf körperliche Unversehrtheit, auf den ihnen gemäßen Lebensraum" haben, so Regan. Tierrechte verstanden als zentrale Herausforderung der Humanität, als Teil der Menschenrechte und "eines revolutionären gesellschaftlichen Erneuerungsprozesses". In der Diskussion antwortete Regan auf die Frage "Wo anfangen im Kampf für die totale Befreiung?": "Es beginnt auf dem Teller".

Der Schauspieler und Tierrechtler Gerd Haucke betonte, daß es "Abstufungen der Tierausbeutung" gebe und daß nur schrittweise etwas zu erreichen sein. Auch Regan konzedierte, daß Änderungen zu bewirken seien, ohne das Endziel zu vergessen. Der Scheinkonflikt zwischen "Fundamentalismus" und "Pragmatismus" war wohl wieder einmal unvermeidbar. Wichtig die Information, daß "Animal Rights" an Universitäten der angelsächsischen Länder längst ein etabliertes Fach sind.

In der anschließenden Pressekonferenz wurde die Stärke der deutschen Tierrechtsbewegung angesprochen und problematisiert, daß sie sich, anders als in früheren Jahren, nicht in großen Demonstrationen erweise, sondern in der verbesserten Professionalisierung der Arbeit der Verbände.

In der "Berliner Erklärung" vom 20. Mai 2000 des BTMT werden die "grundlegenden Rechte der Tiere" in sieben Artikeln formuliert, die teilweise ans Grundgesetz angelehnt sind: "Die Würde des Tieres ist unantastbar. Das Tier ist Träger grundlegender Rechte. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung der Menschen und aller staatlichen Gewalt", so Artikel eins der Erklärung. Daß die Tierrechtler keine weltfremden Phantasten sind, verdeutlicht Artikel fünf, wo gefordert wird, daß die Haltung von Tieren zu "Ernährungszwecken" nicht mit "tierwidrigen physischen und psychischen Belastungen, Qualen oder Schädigungen" verbunden sein dürfe. Die bäuerliche Landwirtschaft wird also nicht grundsätzlich abgelehnt.

Mit einem zweistündigen phantasievoll gestalteten "Performance"-Zug mit annähernd 400 Teilnehmern durch Berlin – vom Haus der Kirche in der Charlottenburger Goethestraße den Kurfürstendamm entlang zum Breitscheidplatz – gelang dann eine Tierrechtler-Demonstration, wie sie sonst nur selten in Deutschlands Städten zu erleben ist. Im Anschluß fand schließlich – moderiert von der charmanten und humorvollen NDR-Moderatorin Alida Gundlach – an der Gedächtniskirche eine Benefiz-Versteigerung von Gegenständen aus dem Privatbesitz prominenter Künstler hin statt – zugunsten einer Affen-Auffangstation für mißhandelte Affen.

Ob und wann sich die Vision Leonardo da Vincis, das Verbrechen am Tier werde einmal ebenso geahndet werden wie das Verbrechen am Menschen, erfüllen wird, mußte offen bleiben. Tom Regan jedenfalls ist zuversichtlich – und die Berliner Veranstaltung hat deren Teilnehmer darin bestätigt. Sie hat in ihrer Vielseitigkeit mit Ausstellungen künstlerischer Exponate und Darbietungen sowie mit Lesungen am zweiten Tag offenkundig dazu beigetragen, die anwesenden Tierrechtler in der Hoffnung zu bestärken, daß auch die Tiersklaverei dereinst ein Ende findet.

 

Bundesverband der Tierversuchsgegner – Menschen für Tierrechte e.V.: Vorstand Eisenhart von Loeper, Roermonder Str.4a, 52072 Aachen Tel.: 0241/ 157214 oder Fax: 0241/ 155642

Spendenkonto: Sparkasse Aachen, BLZ 390 500 00, Konto-Nr. 16 007 973


 
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