© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Neulich im Internet
Völker im Netz
Erol Stern

Vor etwa einem Jahr hatte ich das Vergnügen, einem Vortrag des bekannten Unternehmensberaters Edgar K. Geffroy beizuwohnen. Begeistert schilderte er die Möglichkeiten, die sich durch das Internet für die Kommunikation der Zukunft ergeben würden. Er sprach von "Millionen Fernsehsendern", jeder könne sich zukünftig mitteilen! Wo die Regierungen der Industrienationen nur ganz allmählich die neuen Wege erkennen und beschreiten, nutzen immer mehr Völker und Kleinstaaten bzw. politisch engagierte Gruppen das Internet als preiswertes und effektives Sprachrohr. Ein gutes Beispiel sind die Kurden, die sogar ein Internet-Konsulat in Kalifornien eingerichtet haben. Völker, die in ihren Heimatländern mit der staatlichen Zensur zu kämpfen haben, verschaffen sich auf eine konstruktive Weise Gehör, bietet doch das Netz endlich vom Ausland aus eine sichere Basis. So beispielsweise für Tibet und Timor, die sich nicht zuletzt durch das WWW eine immense Öffentlichkeit erschlossen. Zudem wurden, auch unter Androhung von Hackerangriffen, von der indonesischen Regierung freie Wahlen und unverfälschte Wahlergebnisse forciert. Dennoch sollte die Euphorie über das Web mit all seinen Vorteilen nicht dazu führen, auf dem Weg in eine freiere Welt zu vergessen, daß auch die "alten" Medien längst nicht ausgedient haben: eine Zeitung braucht zum Lesen keinen Strom, ein Radio keine Telefonleitung, und ein Brief dringt auch in die entlegensten Winkel unseres Globus, wo Bill Gates und Internet ebenso unbekannt sind wie ein Computer, meint Euer Erol Stern


 
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