© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Der "Zauberer" als Zielperson
Das FBI veröffentlichte seine Akten über Thomas Mann
Ulrike Imhof

Wie Edgar Hoovers FBI den in die USA emigrierten Nobelpreisträger Thomas Mann über ein Jahrzehnt hinweg überwachte: Dem jüngst verschiedenen Erich Mielke hätte diese Professionalität genauso imponiert wie dem lange für "weltanschauliche Gegnerbeobachtung" zuständigen SD-Juristen Reinhard Höhn, der dem Pankower Tschekisten Anfang Mai nur um wenige Tage in die ewige Kommandozentrale vorausgeeilt ist.

Nach dem Muster der Gauck-Behörde hat der US-Staatssicherheitsdienst jetzt die zwischen 1938 und 1950 von seinen Informellen Mitarbeitern gefüllte Akte über den deutschen Großschriftsteller freigegeben und den freilich arg zensierten Inhalt ins Weltnetz gestellt ( http://foia.gov/thommann.htm   ).

Daß Thomas Mann und seine Tochter Erika vom FBI als fellow travellers Stalins unter permanenter Überwachung standen, ist allgemein bekannt. Die neuen Quellen belegen dies, gewinnen aber insoweit eine andere Qualität, als sie dokumentieren, wie schlecht es um die Grundrechte in jenem Staat bestellt war, für dessen Kriegspropaganda sich der "Zauberer" im Namen der "Menschenrechte" in anti-deutschen Rundfunkreden zur Verfügung stellte. Denn Hoovers IMs vermerkten jeden Kontakt, jede Aktivität, die ihren Verdacht, daß es sich bei Mann um einen "berüchtigten Kommunisten" gehandelt habe, bestätigen konnte. 1948, als McCarthys Kampf gegen "anti-amerikanische Umtriebe" erst langsam an Schwung gewann, lagen dem FBI schon stolze 800 Einträge in Sachen Mann vor. Das Briefgeheimnis war den Hoover-Leuten dabei egal: Private Post öffnete man selbst, und für Sendungen aus dem Ausland verließ man sich auf die Amtshilfe der Kollegen vom Zoll.

Thomas Mann, dessen Prosa die Ironie zum Stilprinzip erhebt, hätte es vielleicht gefallen zu erfahren, daß er sich gerade mit seinem "antifaschistischen" Engagement hochgradig verdächtig machte. Das FBI glaubte, jede Anti-Hitler-Initiative sei kommunistisch unterwandert, und registrierte entsprechend mißtrauisch, wenn sich Mann in das Umfeld der "roten" Emigranten begab.

Wasser auf die FBI-Mühlen spülten noch einmal Manns Kontakte zur DDR-Führung. Schien sein serviler Glückwunsch zum 60. Geburtstag des Kultusministers Johannes R. Becher doch die Feindidentifizierung aufs schönste zu bestätigen.


 
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