© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Von Innerer Führung befreit ins Feld
Peter Felser und Götz Kubitschek: Reportagen über den Bosnieneinsatz der Bundeswehr
Franz Uhle-Wettler

Die Verfasser haben als Offiziere am SFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo teilgenommen. Peter Felser war als Redakteur beim Betreuungssender "Radio Andernach", Götz Kubitschek als Führer eines Zuges, der vor allem Kontakt zur Bevölkerung zu halten und zu fördern hatte. So haben beide manchen Raki (Schnaps) nicht nur am Igman, dem Sarajewo überragenden Berg, sondern auch im Land, bei Serben und Bosniaken getrunken.

Schon Anfang und Ende des Berichts wird manch ein Leser als liebenswürdig-amüsant, manch anderer als Frechheit empfinden. Im Vorwort urteilen die Verfasser: Obwohl die Bundeswehr "nicht mehr soldatisch sein soll oder darf", seien beim Bosnien-Einsatz gerade konservative Tugenden wieder wichtig geworden. Insofern sei die "gute" Haltung deutscher Soldaten nicht das Ergebnis der Inneren Führung. Da wird mancher Leser stutzen. Schließlich gilt die Innere Führung offiziell fast als Heiligtum,und das Parlament läßt ihre Umsetzung durch ein veritables Verfassungsorgan, den Wehrbeauftragten, überwachen. Ebenso "frech" schließt das Buch bei der Schilderung der Kommandoübergabe. Der neue Kommandeur kündigt schon bei der Übergabezeremonie "taktvoll" Änderungen an, mit denen er offensichtliche Mißstände beseitigen werde. So fordert er längere Haare, denn ein allzu kurzer Haarschnitt wecke Erinnerung an böse Ereignisse in der Heimat. Die Wirkung ist bemerkenswert: Schon am nächsten Tag ist die Friseurstube überfüllt. Viele Soldaten verlangen einen Kurzhaarschnitt. Als Staatsbürger in Uniform, auf die sich die Innere Führung so gern beruft, fühlen sie sich mündig und wollen sich eine politisch korrekte Haartracht nicht vorschreiben lassen.

Solche Momentaufnahmen wecken die Erwartung, daß die Verfasser mehr bieten als eine glatte Reportage dessen, was angepaßte Vorgesetzte und Politiker gern hören möchten. Diese Erwartungen werden erfüllt. Die Lektüre lohnt sich schon wegen facettenreicher Einblicke in den Alltag der SFOR: Lagerleben, Streifenfahrten zu einsamen bosnischen oder serbischen Dörfern, Zusammenarbeit mit SFOR-Kontingenten anderer Nationen, oder Kontrollen von Waffenlagern und Truppenteilen. Die Verfasser erzählen dies gelassen, ohne zu dramatisieren. Um so mehr fällt auf, welch große Bedeutung nicht wenige Soldaten den ach so schweren Belastungen durch den (damals) viermonatigen Einsatz fern der Heimat glauben zumessen zu dürfen. Packt unsere Führung die Armee in Watte? Spöttisch könnte man fragen, wie wohl Mitarbeiter von Firmen, die in Übersee Fabriken errichten, oder Entwicklungshelfer solche heimwehkranken Klagen junger Männer beurteilen.

Viele Berichte zeigen, daß die Verfasser ihren Ernst Jünger gelesen haben. Auch sie fühlen sich offensichtlich als Seismographen, die durch ihre Reportagen untergründige Entwicklungen registrieren. Dabei gehen sie recht weit; die Wiedergabe eines langen Gesprächs unter Kameraden über Reemtsmas Anti-Wehrmacht-Ausstellung wirkt vielleicht etwas aufgesetzt, denn der Bezug zum SFOR-Einsatz ist kaum erkennbar. Doch das ist ein Detail. Es wird zudem aufgewogen durch die Schilderung der politisch korrekten Reaktion von Vorgesetzten auf eine Lesung, die einer der Verfasser anläßlich von Ernst Jüngers Tod veranstaltete.

Das Buch ist in makellosem Deutsch geschrieben. Es fesselt durch die Schilderung dessen, was der neue Alltag eines Teils der Bundeswehr geworden ist, ebenso wie durch die eingestreuten Bemerkungen und Gedanken. So kann man dem Buch viele Leser wünschen.

 

P. Felser/G. Kubitschek: Raki am Igman – Texte und Reportagen aus dem Bosnieneinsatz der Bundeswehr. Verlag edition die lanze,180 Seiten, 24 Mark, Versand: Die Schallquelle, Postfach 11 05, 89555 Steinheim


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen