© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000

 
Literarisches Kinderhilfswerk
Moritz Schwarz

Besonders Deutschlehrer sind für ihren missionarischen Eifer und ihre Don Quixotteske Unermüdlichkeit bekannt. Einer der treuesten Paladine klassisch-bürgerlicher Bildung ist der 57jährige Weilheimer Gymnasiallehrer Friedrich Denk. Im Kampf gegen den Lindwurm der Rechtschreibreform erwarb sich der bundesweit bekannte Recke bereits Ruhm im ganzen Reiche. Auch wenn am Ende nicht das ersehnte Drachenblut sprudelte, so blieb er doch "im Felde unbesiegt".

Auf macht sich nun erneut der Degen für Witwen und Waisen. Und dank der Rabenmütter Computer und Fernseher gibt es in puncto Lust am Lesen der Verwaisten viele. So hat er die Großen dieser Bücherwelt aufgefordert, ein literarisches Kinderhilfswerk einzurichten. Hundert Schriftsteller, Kritiker und Wissenschaftler hat er für seinen Kreuzzug für Buch und Kind gewonnen. Jeder sollte drei literarische Werke nennen, die Denk zu einem Leitfaden zusammenstellte, an dem sich die deutsche Jugend dann aus finstrer Nacht hangeln kann. Die Titelauswahl legt aber die Frage nahe, ob sie dabei von den Schriftstellern nicht etwas überschätzt worden sind, legt die die Titelauswahl schon nahe: Am häufigsten findet sich neben (war nicht anders zu erwarten) Thomas Mann auch (überrascht vollständig) der diffizile Martin Walser. Zwar belegt Thomas Mann wie einst die Beatles in der Hitparade gleich mehrere Plätze auf einmal, doch kein Roman konnte soviele Einzelstimmen auf sich vereinigen wie Walsers "Ein springender Brunnen".

Ansonsten findet sich alles querbeet, von der Bibel bis zum Tagebuch der Anne Frank. Junggebliebene Literaturliebhaber haben dankenswerterweise dafür gesorgt, daß auch Titel wie "Robinson Crusoe" (Walser!) und "Moby Dick" vertreten sind. Besonders schön: Sogar Walter Scotts köstlicher "Ivanhoe"-Schinken findet sich. Leider aber fehlt Joseph Conrad ganz und gar und ( bezeichnend, doch nicht verwunderlich) Ernst Jünger. Von Günter Grass kommt natürlich jede Menge Betroffenheitsliteratur wie Grimmelshausen und Hans Fallada, und Carl Friedrich von Weizsäcker empfiehlt Platon und Goethe. Frau Noelle-Neumann übrigens entpuppt sich als Verehrerin von Strauß‘ "Fehler des Kopisten". Für den Geheimtip aber sorgte wohl unzweifelhaft Günter de Brüyn mit Bölls "Dr. Murke". Um die lieben Kleinen nun auch von der Mattscheibe vor die Buchseiten zu bekommen, hat sich Denk einen Wettbewerb ausgedacht: In elf Monaten sollen elf Bücher aus der Liste von 260 Titeln gelesen und protokolliert werden. Für die Teilnehmer, die durchhalten, gibt’s am Ende – na, was wohl? Büchergutscheine.


 
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