© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000

 
Verschwörer
Wie man die Welt regiert und es niemanden wissen läßt
Irene Casparius

Wer als Deutscher öfter in die britische Presse schaut, lernt das Staunen. Hat man doch hierzulande seit fünfzig Jahren zeitgeistkonform verinnerlicht, daß Verschwörungstheorien allenfalls von jenen Gimpeln geglaubt werden, denen man Bücher verkaufen kann, die dem Ludendorff-Strickmuster "Die Welträtsel – von mir und meiner Frau erklärt" folgen.

Anders geht es im Mutterland des aufgeklärt Staatsbürgers zu. Denn dort bietet jeder EU-Skandal den Insel-Gazetten die Chance, über Seilschaften französisch-belgischer Freimaurer in der Brüsseler Bürokratie zu spekulieren. Vor zwei Jahren las man in der Times Artikel über einen Unterhaus-Ausschuß, der den politischen Einfluß der United Grand Lodge untersuchte, einer Vereinigung von 340.000 Freimaurern. Der Labour-Innenminister Jack Straw kündigte damals an, künftig die Einstellungen von Polizisten und Strafrichtern davon abhängig machen zu wollen, daß sie ihre etwaige Logenzugehörigkeit offenbarten.

Da die Angelsachsen über "anonyme Mächte" jeglicher Couleur also recht pragmatisch denken, scheinen sie auch berufen, lexikalisch Bilanz ziehen. Der Erfolgsautor Robert A. Wilson hat diese Aufgabe übernommen. Aufgelistet von A bis Z enthält sein Kompendium alles, was in Konspirologen-Kreisen zur Erklärung der Übel dieser Welt herangezogen wird. Das reicht von den Bilderbergern bis zu den Weisen von Zion, vom Mossad, der Uwe Barschel vergiftet haben soll, zum Illuminaten-Orden, von Holocaust-Leugnern bis zu Drahtziehern, die angeblich Lady Diana ermordeten. Dazu jede Menge Details über skurrilste UFO-Theorien, die in den USA auf fruchtbaren Boden fallen.

Wilson schreibt in einer etwas verkrampft ironisierenden Sprache, die dem Gegenstand gleichwohl angemessen scheint. Auffällig nur, daß in einem linken Verlag, mit Hilfe des in taz und Zeit präsenten Bearbeiters Mathias Bröckers von Wilson geradezu revisionistisch referiert werden darf, daß US-Präsident Roosevelt die Japaner zum Angriff auf Pearl Harbour provoziert habe.

 

Robert Anton Wilson: Das Lexikon der Verschwörungstheorien. Verschwörungen, Intrigen, Geheimbünde. Hg. und bearbeitet von Mathias Bröckers, Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 2000, 400 Seiten, 44 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen