© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Ende der Erörterung
Andreas Razumovsky

Schon vor Jahrzehnten kursierte das Bonmot über die FAZ, sie repräsentiere – als Deutschlands würdigste Zeitung, mit ihren täglichen drei Büchern – die Farben der Bundesrepublik: schwarz für Politik, rot für das Feuilleton, gold für die Wirtschaft. Das klang maliziös, traf aber den in Frankfurt seinerzeit zuerst georteten Pudels Kern: was jedenfalls die politische und kulturelle Berichterstattung betrifft, wurde die Dichotomie der interdepartementalen Ressentiments sorgfältig gepflegt, mit zuweilen erheiternden, gelegentlich die Wut der Leser provozierenden, normaliter aber dem Ansehen und der Verbreitung der Zeitung für Deutschland keineswegs abträglichen Effekten. Es ging und geht den Zeitungsmachern bis heute um ein Blatt für Deutschlands gehobene Kreise.

Der Herr des Hauses studierte in seinem Comptoir die Wirtschaftsteil, die Aktienkurse und konnte sich getrost auf die politischen Analysen verlassen. Die Gattin las die schöngeistigen Musik- und Theateraufsätze, die Jugend solidarisierte sich (wir suchen solche Beispiele guten Grundes in den tiefen Gründen jener Jahre) mit der Begeisterung eines Rolf Michaelis für die DDR, mit der Verachtung eines Bohrer für den Reaktionär Ernst Jünger, mit dem Enthusiasmus eines Günter Rühle für die damals bahnbrechende, alle nicht mehr zeitgemäßen Kunstformen in den Orkus verabschiedenden "experimentellen" Formen des "Happening". Man hat damals – und so ist es bis heute geblieben – immer wieder Leute getroffen, die stets nur den ihnen und ihrer Seelenlage bekömmlichen Teil der FAZ gelesen haben, keine anderen Seiten als vielleicht den Sport – oder die berühmten Tiefdruckbeilagen

All das gibt es natürlich auch in jeder anderen, besonders in jeder größeren, mit ähnlich vielen Kilogramm täglich den Postboten plagenden Zeitung. Wenn jetzt in Frankfurt ein neuer Anlauf unternommen wird, die bewährte und beim Publikum durchaus beliebte Kluft zwischen Politik und Feuilleton zuzuschütten, zu relativieren oder nur neu zu definieren, liegt es zweifellos an den längst hoffnungslos belangarm gewordenen Unendlicheröreterungen des "politischen Feuilletons", an den dort seit Jahrzehnten zelebrierten Simplifikationen aus dem Bodensatz weiland der Kinder- und Enkelgeneration der "Frankfurter Schule", der großen Denker Horkheimer und Adorno. Mit kräftigen Prisen Mitscherlich, Habermas, Friedeburg, Fetscher. Das hat der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe, bei aller routinierten Häme, wohl richtig bemerkt: die Initiative des fürs Feuilleton zuständigen Herausgebers Frank Schirrmacher, sein Departement vom "Endlos-Elend der 68er" wegzudrehen und dem neuen Weltbild der Naturwissenschaften zuzuwenden, verdient Zustimmung und rückhaltlose Anerkennung. Die Anthropologie des neuen Jahrhunderts läßt sich mit der Ignoranz und Arroganz unserer Politologen und Soziologen – mit deren "Kulturkritik der Besserverstehenden, noch auf dem intellektuellen Hochsitz, um mit dem Fernglas das weite Feld zu überblicken" (Spiegel) – nicht mehr begreifen.


 
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