© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
PRO&CONTRA
Promillegrenze für Autofahrer senken?
Rolf Maginot / Dr. Eckard Jung

Verschärfungen der Straßenverkehrsordnung sind nach Ansicht der Deutschen Verkehrswacht (DVW) kein Allheilmittel, sie verdeutlichen aber jedem Verkehrsteilnehmer verschiedene Unfallgefahren und die Folgen von bewußtem Fehlverhalten.

Die DVW begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, schon bei 0,5 Promille ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen. Damit wird eine langjährige Forderung der DVW nach Absenkung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 Promille mit allen Folgen erfüllt.

Die seit dem 1. Mai 1998 geltende gesetzliche Regelung, wonach Fahrten unter Alkoholeinfluß von 0,5 bis 0,79 Promille Alkohol im Blut mit einer Geldbuße von 200 Mark und zwei Punkten im Flensburger Zentralregister geahndet werden, war damals von der DVW als "halber, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung gewertet worden".

Viele Betroffene nehmen Geldbußen mit Zähneknirschen hin, kämpfen aber erbittert um den Führerschein. Das Risiko, einen Monat lang auf das Auto verzichten zu müssen, schreckt ab. Ich bin überzeugt, daß zusätzliche Kontrollen den Abschreckungseffekt erhöhen. Das gilt auch für Raser, die sich jeder Einsicht gegenüber Argumenten verschließen.

Aber auch das Telefonieren während der Fahrt führt zu völlig unnötigen Unfällen. Wer bei Tempo 100 nur eine Sekunde wegsieht, hat schon knapp 28 Meter blind zurückgelegt. Wer telefoniert, übersieht Schilder, vergißt beim Abbiegen den Blick über die Schulter, schert öfters aus der Kurve aus, überfährt die Begrenzungslinien oder bremst zu schwach.

Das Auto sollte daher auf keinen Fall als rasende Telefonzelle mißbraucht werden. Jedes Mobiltelefon hat eine Mailbox-Funktion, die einen raschen Rückruf vom nächsten Parkplatz erlaubt. Kein Telefongespräch kann so wichtig sein, daß dafür Menschen gefährdet werden.

 

Rolf Maginot ist Verbandsdirektor der Deutschen Verkehrswacht e.V. (DVW) in Meckenheim bei Bonn.

 

 

Fahren unter Alkohol führt nicht selten zu schwersten Unfällen und muß deshalb nach Ansicht des ADAC unbedingt verhindert werden. Eine Verschärfung der Promillegrenzen, wie sie aktuell von Verkehrsminister Reinhard Klimmt gefordert wird, ist nach Ansicht des Clubs jedoch nicht das geeignete Instrument, dieses Ziel zu erreichen. Der ADAC hält die bereits in Deutschland geltende Regelung, die bei 0,5 Promille eine Geldbuße von 200 Mark und erst ab 0,8 Promille ein zusätzliches Fahrverbot vorsieht, für ausreichend.

Eine im Endeffekt wirkungslose, weil nicht ausreichend überwachte, Verschärfung der Alkoholvorschriften hat lediglich Alibi-Funktion. Wesentlich wichtiger ist es, die Alkoholkontrollen – zum Beispiel durch den Einsatz moderner Atemalkohol-Meßgeräte – effektiver zu machen, um mehr Alkoholsünder aus dem Verkehr ziehen zu können.

Aus der Unfallursachen-Statistik weiß man, daß sich die schweren Alkoholunfälle nicht in den Bereichen bis 0,8 Promille ereignen, sondern bei Alkoholpegeln, die deutlich über 1,0 Promille liegen. Bei den in Europa herrschenden Lebensgewohnheiten bedeutet die von Minister Klimmt geforderte Regelung, daß viele absolut fahrtüchtige Personen zu Verkehrssündern gestempelt würden. Wie Vergleiche aus Ländern mit unterschiedlichen Promille-Grenzen zwischen 0,0 und 0,8 zeigen, ist ein Zusammenhang dieser Grenzen mit der Unfallhäufigkeit nicht festzustellen.

Der Klimmt-Vorschlag führt nur dazu, daß die Zahl der unentdeckten Alkoholfahrten weiter steigt. Bereits heute wird von 600 Alkoholfahrten nur eine einzige entdeckt.

Alle Auto- und Motorradfahrer sollten übrigens wissen, daß nach geltendem Recht bereits ab 0,3 Promille bei auffälligem Verhalten (zum Beispiel Fahren in Schlangenlinien) eine Straftat mit Fahrerlaubnisentzug vorliegt. Keinesfalls sollte man sich deshalb an die 0,5-Promille-Grenze herantrinken.

 

Dr. Eckard Jung ist Leiter der juristischen Zentrale des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs e.V. (ADAC) in München.


 
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