© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
"Die Sprache gehört dem Volk"
Deutsche Sprache: Manfred Riebe über die Rechtschreibreform und den Streit unter Sprachschützern
Moritz Schwarz

In Deutschland widmen sich diverse Vereine und Gesellschaften der Pflege der deutschen Sprache. Während allerdings die einen auf ihr nur liebevoll das genießende Auge ruhen lassen, ziehen andere mit Feuer und Schwert für sie in die Schlacht.

Zu den Anhörungen der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission am 23. Januar 1998 in Mannheim und des Bundesverfassungsgerichts am 12. Mai 1998 in Karlsruhe wurde als einer der beiden Rechtschreibreformgegner, neben der "Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung", auch der im Mai 1997 ins Leben gerufene "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege" (VRS) eingeladen.

Erst unlängst erhob der Vorsitzende des Vereins, Manfred Riebe, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT schwere Vorwürfe gegen die anderen Sprachpflegevereine.

Die Rechtschreibreform ist längst in Kraft, wie wollen Sie eine Rücknahme erreichen?

Riebe: Es gibt keine "amtlichen Rechtschreibregeln" für alle Bürger, sondern nur für die Schulen. Aber auch dort gilt bis 2005 weiterhin die traditionelle Rechtschreibung als richtig. Die "Rechtschreibreform" ist keineswegs eine beschlossene Sache; denn über die Ausgestaltung des Inhalts der Schulrechtschreibreform wird immer noch heftig gestritten. Ferner machen die Gerichte den Erfolg oder Nichterfolg der Reform von deren Akzeptanz durch die Bevölkerung abhängig. Der Deutsche Bundestag faßte im übrigen aufgrund vieler Petitionen – auch aus unseren Reihen – im März 1998 den Beschluß: "Die Sprache gehört dem Volk." Der amtierende und auch alle ehemaligen Bundespräsidenten weigern sich auch, den Neuschrieb privat anzuwenden. Und etwa achtzig Prozent der Bürger wollen ebenso auch über das Jahr 2005 hinaus an der bisherigen Einheitsrechtschreibung festhalten.

Was hat der VRS bisher konkret gegen die Rechtschreibreform unternommen?

Riebe: Wir leisten intensive Aufklärungs-, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch Leserbriefe, Zeitungsartikel, Anzeigen oder Aktionen, wie etwa der Flugblattaktion "Rote Karte für die Kultusminister" zur Unterstützung der Volksbegehren in Schleswig-Holstein und Berlin. Außerdem verbreiten wir Schriften von Mitgliedern und Fachleuten gegen die Rechtschreibreform. Durch unser Engagement wurde der VRS sowohl von der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission wie vom Bundesverfassungsgericht als Vertreter der Rechtschreibreformgegner zu Anhörungen eingeladen.

Welche Rolle spielt für den VRS der Kampf gegen die die deutsche Sprache explosionsartig durchsetzenden Anglizismen?

Riebe: Die gehäufte Verwendung von Anglizismen ist ein Ärgernis. Deshalb vertreiben wir auch das Büchlein "Engleutsch? Nein danke!" Der VRS ist aber kein "Ein-Punkt-Verein". Wir beschäftigen uns nicht nur mit der Sprachverhunzung durch die verhängnisvolle Rechtschreibreform, sondern auch mit dem übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern und anderen Sprachverschluderungen. Um auf alle Gefahren künftig angemessen aufmerksam machen zu können, haben wir mitgeholfen, die Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt – Gemeinsam erhalten und gestalten aus der Taufe zu heben. Die Deutsche Sprachwelt wird jährlich einen Sprachpreis verleihen. Im Gegensatz zum "Sprachpanscher"-Negativ-Preis des VDS setzen wir auf einen "Sprachwahrer"-Positiv-Preis für Leute, die sich um die Wahrung unserer Sprache besonders verdient gemacht haben. Wir wollen weder populistisch noch puristisch übertreiben und Sprachverhunzer nicht als "Sprachpanscher" verunglimpfen, sondern weiterhin geduldige Aufklärungsarbeit leisten.

Sie erheben schwere Vorwürfe gegen die "Gesellschaft für deutsche Sprache" (GfdS) oder den "Verein Deutsche Sprache" (VDS), vormals "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache" (VWDS). Was werfen Sie diesen vor?

Riebe: Der VDS hat sich auf die Bekämpfung von Anglizismen spezialisiert. Gleichzeitig fördert er aber in seinen Publikationen die neue Rechtschreibung. Er hat deshalb das Wort "Wahrung" aus seinem Namen und seiner Satzung gestrichen. Damit macht sich der VDS als Sprachpflegeverein unglaubwürdig. Der VRS wendet sich gegen jegliche Art schädlicher Veränderung der eigenen Sprache, wie zum Beispiel auch die Franzosen. Im Verhalten der Franzosen spiegelt sich ein Stück Nationalbewußtsein, das in Deutschland aufgrund der Vergangenheit meist verdrängt wird. Im übrigen erheben wir keineswegs gegen alle Sprachpflegevereine Vorwürfe. So zum Beispiel nicht gegen die "Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung", die wie wir gegen die Rechtschreibreform kämpft. Aber in Vereinen wie der "Gesellschaft für deutsche Sprache", oder dem "Institut für deutsche Sprache" haben die Rechtschreibreformer die Schlüsselpositionen besetzt und treffen Entscheidungen für die Reform gegen die Mehrheit ihrer Mitarbeiter. In zweiter Linie machen wir jenen Sprachvereinen und Berufsverbänden Vorwürfe, etwa der "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" oder dem "Deutschen Philologenverband", die nichts gegen die Rechtschreibreform unternehmen, obwohl ihre Mitglieder ebenfalls mehrheitlich dagegen sind. Den VDS mit seinem Kampf ausschließlich gegen Anglizismen betrachten wir als ein Ablenkungsmanöver zugunsten der Rechtschreibreform. Nachdem der VDS das Wort "Wahrung" aus seinem Namen gestrichen hatte, traten Mitglieder aus, weil sie bemerkten, daß der VDS die Rechtschreibreform in seinen Veröffentlichungen anwendet.

Warum gibt es nicht dennoch, angesichts der Bedrohung der deutschen Sprache, den Versuch einer Bündelung der Kräfte, vor allem mit dem wichtigen VDS?

Riebe: Wir arbeiten auch mit Sprachpflegevereinen zusammen, die bei der Bewahrung der Sprache andere Akzente setzen als wir. Jedoch können wir keine Bundesgenossen in Vereinen sehen, in denen die Mehrheit des Vorstandes sich aktiv für die Durchsetzung der Rechtschreibreform einsetzt und damit unsere Arbeit konterkariert. Wir hatten bereits im November 1997 nach der Gründung des VDS, den Versuch einer Zusammenarbeit mit ihm unternommen. Walter Krämer antwortete, daß der VDS den Kampf gegen die Rechtschreibreform ausgeschlossen habe. Daran scheiterte ein Zusammenwirken.

Was konkret werfen Sie dem VDS-Vorsitzenden Krämer vor, der erst unlängst in einem ausführlichen JF-Interview mit der auch den VRS erwähnt hat?

Riebe: Walter Krämer ist Mitglied des VRS. Er verfaßt alle seine Bücher in der herkömmlichen Rechtschreibung. Krämer widersteht damit dem von Medienkonzernen ausgeübten Meinungsdruck. Das begrüßen wir. Der VRS vermißt aber eine entsprechende Solidarität auf Vereinsebene. Als Vorsitzender des VDS schadet Krämer der Sache der Rechtschreibung, da er im VDS-Vorstand nur für eine Neutralität des VDS in der Frage der Rechtschreibreform eintritt. Eine Neutralität in dieser Frage gibt es jedoch nicht, wie die Veröffentlichungen des VDS in Neuschrieb zeigen. Dadurch daß der Krämer-Verein rechtschreibgegnerische Vereine wie das "Bürgerforum Deutsche Sprache" in Köln "schluckte", neutralisierte er diese Kräfte. Krämer hat einen wissenschaftlichen Beirat gebildet. Diese Sprachwissenschaftler sind natürlich mit großer Mehrheit gegen die Rechtschreibreform. Doch zur Rechtschreibreform werden sie gar nicht gefragt. Sie dienen offensichtlich nur als Aushängeschild im Kampf gegen die Anglizismen.

 

Manfred Riebe, Oberstudienrat, ist Vorsitzender des "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e. V." (VRS), Max-Reger-Str. 99, Schwaig bei Nürnberg, Tel. 0911/ 506 74 22, Fax: 506 74 23; im Weltnetz unter: www.raytec.de/rechtschreibreform   oder:
www.rechtschreibvolk.de


 
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