© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Die Pleite mit dem Doppelpaß
Werner Norden

Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich das alles so richtig schön multikulturell vorgestellt. Zu Discountpreisen sollte die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich zur bisherigen erworben werden können, allein die Ausländer machen den linken Nationalallergikern einen dicken Strich durch ihre Milchmädchenrechnung. Das Ganze verläuft nämlich bis heute mehr als schleppend, selbst zusätzliche Anreize und eine kostspielige Werbekampagne, bei der der Doppelpaß fast schon wie Sauerbier angeboten wird, helfen nichts. Zwar können im Laufe dieses Jahres Kinder bis zu zehn Jahren durch ihre Eltern zusätzlich einen deutschen Paß beantragen, doch liegen zum Beispiel in Frankfurt am Main für die in Frage kommenden rund 8.000 Kinder nur ein paar hundert Anträge vor, genauer gesagt noch nicht einmal vier Prozent.

Einen Schuldigen für diese Pleite haben Sozialdemokraten und Grüne natürlich auch schon gefunden, es ist – wie könnte es anders sein – die Union und deren "unsägliche Unterschriftenaktion". Diese habe "die Massen verschreckt", die ausländische Bevölkerung "nachhaltig verunsichert" und gezeigt, daß ein "solidarisches Miteinander" nicht gewollt sei. Diese Begründung ist zwar mehr als dreist, aber inzwischen weiß man ja, daß Glaubwürdigkeit nicht zum Klassenziel von Rot-Grün gehört, und bucht derlei Blödsinn einfach unter "politischer Verwahrlosung" ab. Denn tatsächlich wird genau umgekehrt ein Schuh daraus, es sind ja gerade die integrationsunwilligen und offenbar auch -unfähigen Ausländer vor allem aus der Türkei und anderen islamischen Ländern, die an einem "solidarischen Miteinander" mit dem deutschen Gastvolk nicht das geringste Interesse haben. Das trifft insbesondere auf die sogenannte dritte Generation junger Ausländer zu.

Ihnen kann man es nicht einmal verdenken, daß sie ihre eigenen nationalen, religiösen, ethnischen und kulturellen Identitäten bewahren wollen und die in dieser Hinsicht völlig desolaten Zustände unserer bundesrepublikanischen Allerweltsgesellschaft nicht besonders attraktiv finden. Daß die Bundesregierung und ihre medialen Claqueure aus dieser klaren Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft durch die Zuwanderer entsprechende Konsequenzen ziehen und endlich zu einer realistischen Ausländerpolitik finden, ist jedoch nicht zu erwarten.

Wo Ideologien – und seien sie auch noch so verquer und weltfremd – Verstand und Vernunft außer Kraft setzen, kann im Zweifelsfalle nur noch die Macht des Faktischen Remedur schaffen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen