© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/00 30. Juni 2000

 
CD: Black-Metal
Unverfälscht
Ulli Baumgarten

Es gibt wohl nur wenige Musikstile, die in der Öffentlichkeit mit so vielen Klischees und Vorurteilen behaftet sind wie der Metal; insbesondere die Spielkarten des Death- und Black-Metal gelten aufgrund ihrer Nonkonformität und Kompromißlosigkeit gegenüber der modernen Welt, dem "Dark Age of Reason", als ausgesprochen suspekt. Heidentum, antimodernistisches Denken, konservatives Kunst- und Kulturverständnis, Elitebewußtsein und Anspruch einer Avantgarde anzugehören, werden nicht nur lautstark proklamiert, sondern auch musikalisch umgesetzt.

Bestes Beispiel hierfür ist die spanische Gruppe User ne, die jetzt ihr erstes Album "Nibelum das uhört" veröffentlicht hat. Ihre Musik mixt Black Metal, spanische Folklore, Rockopern und avantgardistischen Rock zu einer Mischung, die man bisher noch nicht zu hören bekam. Stellenweise erinnern die Spanier an die frühen Alben der Münchner Band Amon Düül 2, die Anfang der siebziger Jahre eine der maßgeblichen deutschen Gruppen war und den Begriff des "Kraut-Rock" mitprägte. Auch User ne benutzen das Konzept der Rockoper, legen die Thematik ihrer Texte in die Zeit des vorchristlichen und vorrömischen Spanien zurück, setzen sich mit der Geschichte des iberischen Volkes auseinander. Was sich in der Beschreibung vielleicht als prätentiös und "gewollt" anhört, überzeugt beim Anhören durch eine Kraft und Echtheit, wie man sie selten zu hören bekommt. Das ganze Album wirkt wie aus einem Guß, ist vom Anfang bis zum Ende ein wahres Hörvergnügen. Was bei den Spaniern so imponiert, ist ihre Fähigkeit, sich jedem Schubladendenken zu entziehen und statt dessen einen Weg zu beschreiten, der zwar ungewöhnlich ist, aber dafür den Hörer mit einem Erlebnis besonderer Art erfreut; auch im vermeintlich "alternativen" Musikgeschehen ist es halt so, daß nur allzuoft weniger der Eigenständigkeit gehuldigt wird, dafür aber den Hörgewohnheiten des Publikums. Das Album, das den ersten Teil einer Trilogie darstellt, dürfte die Metal-Szene, die doch zuletzt fast ausschließlich von skandinavischen Gruppen geprägt und weiterentwickelt wurde, gehörig aufmischen und in naher Zukunft stilprägend werden. "Nibelum das uhört" ist schon jetzt eines der großen Alben dieses Jahres! (Erhältlich bei War is imminent productions, Apartado 5069, 35080 Las Palmas GC, Spanien.)

Ebenfalls aus einem Land, das man nicht unbedingt mit Black Metal in Zusammenhang bringt, kommt die kanadische Band Frozen Shadows: Während User ne eher avantgardistisch klingen, orientieren sich die Kanadier mit ihrer CD "Empire de glace" eindeutig an den Anfängen des Genres. Ihre Musik ist dermaßen rauh und aggressiv, daß man schon fast von Brutalität reden kann. Ihre Musik ist ein einziges Massaker, Gefangene werden grundsätzlich nicht gemacht, statt dessen herrscht der totale (Musik-) Krieg. Wer nach einem stressigen Arbeitstag abends von der nervenden Freundin oder Ehefrau empfangen wird, im Fernsehen amerikanisierten Mainstream vorgesetzt bekommt, sollte sich unbedingt diese CD anhören!

Musik wie diese ist sicherlich nicht mehrheitsfähig – wen interessiert schon die Meinung von weichgespülten Mehrheiten?! –, aber gerade das macht ihren Reiz aus. Was an Frozen Shadows so ungemein beeindruckt, ist die Tatsache, daß ihre Musik ehrlich klingt, ihr Nonkonformismus nicht gekünstelt wirkt. Gruppen wie Frozen Shadows stehen für eine Rückbesinnung, die man durchaus als Purismus bezeichnen kann und der hoffentlich die Zukunft gehört. Mit anderen Worten: In einer Zeit, die die Feigheit und den Kompromiß zu Göttern erhoben hat, wirkt "Empire de glace" wie eine Befreiung. (Millenium Metal Music, Postfach 1145, 26793 Moormerland).


 
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