© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Immer diese Deutschen
Dieter Stein

Zum 1. Juli wurde der zehnte Jahrestag der deutsch-deutschen Währungsunion begangen. Damit wurde eines bedeutenden Schrittes zur staatlichen Einheit am 3. Oktober 1990 gedacht. Wieder mal ein guter Moment, um sich zu freuen. Zu freuen über die glückliche Fügung der Einheit, die von den Mitteldeutschen auf den Straßen von Leipzig, Dresden und Berlin friedlich erstritten wurde.

Doch was machen unsere Berufsbedenkenträger in Gestalt der Politiker? Sie nehmen wieder einmal einen Tag der Freude, um uns alles mieszumachen. Es wird rumgenölt, ins eigene Nest gemacht, man bewirft die Landsleute mit Dreck und zieht sich gegenseitig runter. Es ist zum Haareausraufen und Davonlaufen mit diesen Deutschen!

Deutschland ist so ein prächtiges Land mit fleißigen Menschen, die gastfreundlich und anderen Kulturen aufgeschlossen sind. Doch von den Berliner Feldherrenhügeln der Parteipolitik klingt es anders. Bundestagspräsident Thierse (SPD), selbst mit Ost-Biographie, erklärt unumwunden Ausländerfeindlichkeit als "Bestandteil der Alltagskultur" in den neuen Bundesländern. Thierse beklagt darüber hinaus, daß sich viele Lehrer an den Schulen der ehemaligen DDR neuer Indokrination verweigern: "Manche Lehrer fühlen sich als gebrannte Kinder und wollen nicht wieder, wie zu DDR-Zeiten, ideologische Erziehung betreiben. Ich wünsche mir, daß wir begreifen, daß die Schule nicht nur ein Ort der Ausbildung ist, sondern ein Ort der Erziehung." Mit anderen Worten: Es mangelt an politisch-korrekter Indoktrination an den Schulen.

Bundespräsident Johannes Rau hat indes erneut für ein "Ausländer-Integrationsgesetz" plädiert. Immer noch wird aber beantwortet, in was sich eigentlich Ausländer integrieren sollen. Welche Identifikationen bietet denn ein Land, das nicht in der Lage ist, ein Datum wie den zehnten Jahrestag der deutsch-deutschen Währungsunion fröhlich zu begehen? Hier lebende Ausländer erleben deutsche Politiker überwiegend als entortete Schwätzer, die keine Ehre am Leib haben, weil sie nicht das simpelste tun, was Politikern anderer Länder selbstverständlich ist, ob sie nun von links oder rechts kommen: mit Stolz für ihre Nation einzutreten. Viele deutsche Politiker reden über ihre Landsleute, als ob diese Mitglieder eines anderen Vereins seien: arrogant, schnöselig, besserwisserisch.

Ausländerfeindliche Taten, wie sie sehr wohl täglich vorkommen, können nur als Schande empfunden werden, wenn es so etwas wie eine nationale Verletzlichkeit, eine nationale Verantwortung für das Gemeinwesen und das "von Deutschen begangene" gibt. Ansonsten ist es die distanzierte Betroffenheit des unbeteiligten Zuschauers im Theater, der für das Geschehen auf der Bühne keine Verantwortung fühlt.

So befinden sich diese Politiker in einem unlösbaren Dilemma: Sie, die ständig an die Besserung "der Deutschen" appellieren und volkspädagogische Maßnahmen fordern, wollen gleichzeitig, daß das "Deutsche" und das "Volk" verschwindet – und fühlen sich selbst nicht angesprochen ...


 
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