© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
BLICK NACH OSTEN
"Verräter und Feinde des Volkes"
Carl Gustaf Ströhm

Die politisch nicht "korrekte" Tatsache, daß in Slowenien eine Mitte-Rechts-Regierung unter Premier Andrej Bajuk die bisherige Linksregierung ablöste, hat in westlichen Medien konfuse bis bösartige Kommentare ausgelöst. So etwa in der Berliner Zeitung vom 9. Juni: Hier wird der 1943 geborene neue slowenische Regierungschef in Sippenhaftung genommen – der im Exil aufgewachsene Bajuk, so heißt es da, sei ein "Domobrancen-Sprößling".

Bajuks Familie habe zu den slowenischen Heimwehren gehört, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Tito-Partisanen kämpften und zu diesem Zweck auch mit den Deutschen kollaborierten. Wörtlich: "11.000 von ihnen wurden zu Kriegsende als Verräter und Feinde des slowenischen Volkes hingerichtet. Zehntausende flohen nach Österreich und emigierten später." Bajuk, damals zwei Jahre, war einer der Entkommenen.

Interessant ist, daß die Berliner Zeitung DDR-übliche Begriffe wie "Verräter und Feinde des slowenischen Volkes" übernimmt. Daran, daß in Mitteleuropa nach Ende des Zweiten Weltkriegs 11.000 Menschen – ein Prozent der Bevölkerung – "hingerichtet" wurden, nahmen die Berliner Zeitungs -Autoren keinen Anstoß. Die gleichen linken Autoren, die sich über die Hinrichtung einzelner Delinquenten in den USA empören, finden die Hinrichtung von Tausenden "Volksfeinden" durch die Kommunisten noch heute offensichtlich ganz in Ordnung.

Nur – besagte 11.000 Domobrancen wurden nicht "hingerichtet", was ja zumindest ein Gerichtsverfahren samt Todesurteilen vorausgesetzt hätte. Sie wurden vielmehr ohne Verfahren ermordet. Die 11.000 Slowenen – überwiegend im Alter von 20 bis 30 Jahren – hatten sich im Vertrauen auf westliche Normen bei Kriegsende 1945 der Britischen Armee in Kärnten ergeben. Die Engländer aber lieferten ihre slowenischen Gefangenen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – man versicherte ihnen, die Reise ginge in ein Lager nach Italien – an die Tito-Partisanen aus. Diese mißhandelten die Gefangenen auf bestialische Weise: Sie wurden jeweils zu viert mit Draht aneinander gefesselt und in die Karsthöhlen des Hornwaldes bei Gottschee (Kocevski Rog) gestoßen. Jeweils der erste der Aneinandergefesselten wurde erschossen, er riß die noch Lebenden mit in die Tiefe, Handgranaten vollendeten das Massaker.

Diese "Domobrancen" waren slowenische Nationalisten und Katholiken, die für das Dritte Reich und den italienischen Faschismus keinerlei Sympathien hegten, schon, weil beide die Existenz des slowenischen Volkes bedrohten. Zugleich aber waren sie Antikommunisten – hervorgegangen aus den bäuerlichen Dorfwehren, die sich 1942/43 spontan unter der slowenischen Landbevölkerung gebildet hatten, weil sich die Bauern gegen die Tito-Partisanen wehren wollten, die Dörfer überfielen und ausplünderten und vor Terror und Mord nicht zurückschreckten.

Die "Verräter des slowenischen Volkes" waren also Freunde und Beschützer des Volkes vor kommunistischer Willkür. Bis heute soll verschleiert werden, daß von 1943 bis 1945 in Slowenien ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Tito-Kommunisten und meist katholischen Antikommunisten tobte. Daß nach 1945 das damals knapp 1,5 Millionen zählende slowenische Volk 11.000 junge Männer durch einen kommunistischen Massenmord verlor, gehört zu den großen, bis heute nicht überwundenen Tragödien dieser kleinen Nation.


 
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