© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Rund um Dracula
Ausstellung "VampirMania" in Berlin
Rolf Helfert

Die Nacht gehört den Fürsten der Finsternis, Legionen der Untoten erobern Berlin". So liest man voller Schrecken in einem Text der Ausstellung "VampirMania", die seit dem letzten Wochenende im Forum Charlottenstraße 75 ihre knarrigen Pforten geöffnet hat.

Normalerweise tagen in diesen Räumen "Vampire" ganz anderer Sorte: Immobilienmakler. Jan Schwalme und sein "Euro Messe Team" organisieren eigentlich Veranstaltungen für letztere. Diesmal hat Schwalme auf Geheiß des Blutsaugers Dracula 2000 Quadratmeter angemietet. "Schirmherr" der Darbietung ist Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco. Die Veranstalter nennen ihn den "einzig wahren Nachfahren derer von Dracula". Beweisen kann das wohl niemand, aber es erregt eine gewisse Besorgnis, daß der Prinz nicht sagen will, ob er tagsüber in einer Gruft liegt.

Zunächst wird die Anatomie und Lebensweise von Fledermäusen erklärt. Das Museum für Naturkunde hat die Exponate hierzu beigesteuert. Der Legende nach hielt sich Dracula Fledermäuse quasi wie Haustiere.

Außer mir gab es keine (normalen) Besucher. Noch während ich tote Fledermäuse studierte, lief jedoch eine vermummte Gestalt, die eine Skelettmasse trug, den Gang entlang. Ich grüßte mit einem "Hallo". Der Schauermann antwortete: "Hallo". In den Karpaten spricht man eben deutsch.

Nach diesem Zwischenspiel folgte der größte und bei weitem interessanteste Teil der Ausstellung. Im Dämmerlicht werden originale Folter- und Hinrichtungswerkzeuge vornehmlich der frühen Neuzeit präsentiert. Wie nicht anders zu erwarten, stellt die Realität noch den absurdesten Vampir-Mythos in den Schatten. Inquisitoren, Hexenverfolger und Henker nutzten und perfektionierten sadistisch-barbarische Methoden. Angesichts von Folterstuhl, Nagelbrett, Richtschwert, eiserner Jungfrau, Guillotine und ähnlichen Gerätschaften beschleichen einen tatsächlich unangenehme Gefühle.

Das 15. Jahrhundert, in dem "Graf Dracula" lebte und eigentlich Vlad Tepes hieß, war von mannigfachen Grausamkeiten geprägt. Insofern fiel "Dracula" (Drache), der es schätzte, seine Widersacher zu pfählen, wohl kaum aus dem Rahmen. Ein Leben lang kämpfte Tepes, Fürst der Walachei, leidenschaftlich gegen die Türken, bis sie ihn enthaupteten, seinen Kopf in Honig einlegten und dem Sultan schenkten.

Über Vlads Leben, die Entstehung, Hintergründe und Zählebigkeit der Vampir-Legende erfährt man relativ wenig. Und doch – als ich die Bildprojektion eines düsteren Schlosses betrachtete, hörte ich irgendwo ein merkwürdiges Geräusch. Ein junger Mann im Dracula-Mantel fixierte mich und verschwand. Ich beschloß, weiterhin auf der Hut zu bleiben.

Ein Leichenwagen des 18. Jahrhunderts und ein altertümlicher Rolls Royce stehen am Ende des Rundganges. Beide gehören dem Prinzen Kretzulesco. Warum jemand, der wie eine Fledermaus fliegen kann, Auto fährt, ist allerdings rätselhaft.

Sehenswert dürfte die – nicht ganz ernst gemeinte – Gruselschau vor allem wegen der historischen Folterwerkzeuge sein. Alles übrige mag jeder nach Geschmack etwas albern oder grausig finden.

Unheimlich erscheint besonders der hohe Eintrittspreis: 16 Mark für Erwachsene. Zu erreichen ist die Ausstellung noch bis zum 27. August über den "Borgopaß", der im Volksmund "Friedrichstraße" heißt.


 
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