© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Kultmusik: Böhse Onkelz erobern die Charts
"Lieder wie Tagebücher"
Anke Kaphengst/ Andy Großmann

Ein böses Märchen aus tausend finsteren Nächten" heißt das jüngst erschienene Album der Böhsen Onkelz. Damit schaffte es die Band nun zum zweiten Mal in ihrer über zwanzigjährigen Geschichte, Platz eins der deutschen Langspiel-Charts zu belegen. Mit der ausgekoppelten Single "Dunkler Ort" gibt es erstmals ein Video, das auf ausgewählten Sendern zu sehen ist.

Das neue Album ist keine Fortsetzung der 1998 erschienenen Party-CD "Viva Los Tios", sondern ist bewußt düster gehalten: Eine Rückkehr zum Metal. Sämtliche Titel stammen vom Bassisten und Band-Chef Stephan Wieder, der mit so reizenden Themen wie Prostitution, Drogen, Gewalt und Tod einen gesellschaftskritischen Ton anschlägt. Die wirklich großen Gefühle, sei es Freud oder Leid, bringt jedoch erst die unverwechselbare Gitarre von Matthias "Gonzo" Röhr.

Die Onkelz singen und leben ohne Rücksicht auf Konventionen. Wohl deshalb boykottieren nach wie vor der Sender VIVA und die Ladenkette WOM die Präsentation und den Vertrieb der Onkelz.

Die umstrittene Geschichte der Gruppe begann in der damals noch weitgehend unpolitischen Skinhead- und Hooligan-Szene, zu deren Kultband die Böhsen Onkelz bald aufstiegen. Vorschnell stempelten die etablierten Medien sie zu simplen Rechtsradikalen. Der Wandel 1985/86 zu einer "normalen" Rock/Metal-Band wurde folgerichtig totgeschwiegen. Selbstbewußt und wie immer unter der Gürtellinie wehren sich heute die Onkelz in ihren Texten gegen Stigmatisierung von links wie gegen Vereinnahmung von rechts ("Leckt uns am Arsch"). Problemlösung durch Gewalt ist kritischem Bewußtsein gewichen ("Aus unserer Vergangenheit gelernt").

Mit ihrerer rauhen und ernüchternden Weltsicht treffen die Onkelz den Nerv der Fans, für die ihre "Lieder wie Tagebücher" sind.


 
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