© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
LOCKERUNGSÜBUNGEN
Erziehungsziel
Karl Heinzen

Der Deutsche Bundestag hat das Bürgerliche Gesetzbuch um einen Passus ergänzt, dem zufolge "körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen" bei der Erziehung unzulässig sind. Wer mit seinen Kinder so umspringt wie die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller mit ihren Mitarbeitern und der Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages, hat somit den Boden unserer Rechtsordnung verlassen. Wutausbrüche und Beschimpfungen mögen zwar eine von mehreren Möglichkeiten des zwischenmensch- lichen Umgangs sein, doch das heißt nicht, daß der Gesetzgeber sie tolerieren oder sich für unzuständig erklären dürfte. Die im Grundgesetz offenbarte Werteordnung ist zu kostbar, als daß die Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden verschanzen dürften, um dort nach eigenen Vorstellungen zu leben. Heilig ist die Privatsphäre nur dann, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers gebracht ist.

Wer sein Kind vor Freunden mit Schimpfwörtern traktiert, ihm Hausarrest verordnet oder eine verächtliche Bemerkung über es fallen läßt, steht nach der neuen Rechtslage zwar noch nicht mit einem Fuß im Gefängnis. Der Übeltäter muß aber mit einem Einschreiten des Jugendamtes rechnen, das gegen un- verbesserliche Gewalt-Eltern anordnen kann, in Beratungsstellen Nachhilfeunterricht in Erziehungsfragen zu nehmen. Die Kinder haben das Recht auf den Schutz des Staates vor ihren Eltern und dürfen die Aufnahme in einem Heim oder in einer Pflegefamilie verlangen, wenn sie Anlaß haben, Rechtsverstöße in ihrer Erziehung zu vermuten. Eine Adaption des Strafrechts an dieses neue Verständnis ist noch nicht vollzogen, aber in Planung. Erste Überlegungen sehen vor, daß mißratene Eltern zum Beispiel zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen werden können.

Grundsätze, die über Jahrzehnte der Generation der heute Regierenden am Herzen lagen, haben so endlich Gesetzeskraft erlangt. Wirklichkeit konnte diese Reform aber nur dank jenes demographischen Wandels werden, den die Vorgänger im Amt politisch gestaltet haben. Erst heute ist es möglich, daß eine Mehrheit von Kinderlosen einer Minderheit von Kinderhaltern Entscheidungshilfen in der Auswahl des geeigneten Erziehungsstils an die Hand geben kann – zu gering ist schließlich das Vertrauen in die intellektuellen Kapazitäten jener, die durch ihre Fortpflanzung ihren Hang zu Irrationalität ja hinlänglich unter Beweis gestellt haben. Nur wer nicht durch Kinder in seinem Denken beeinträchtigt wird, hat den Kopf frei, sine ira et studio darüber zu befinden, wie solche Wesen in ihrem eigenen Interesse und in jenem unseres Gemeinwesens geprägt werden sollten. Maßstab kann dabei nur sein, jene Mehrheit nicht vor den Kopf zu stoßen, die keinen Nachwuchs in die Welt setzen will. Man darf darauf vertrauen, daß diejenigen, die nach dem geltenden Recht erzogen werden, diese Entscheidung zur Kinderlosigkeit in ihrer Masse nachträglich legitimieren dürften.


 
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