© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/00 14. Juli 2000

 
CD: Pop
Gereift
Holger Stürenburg

Duran Duran gehören zu den achtziger Jahren so eindeutig wie "Dallas" und "Dornenvögel", Wackersdorf und Tschernobyl, Peter Böhnisch und Hans-Jochen Vogel. Wie keiner anderen Band aus jener Zeit ist es ihnen gelungen, für einige Jahre die musikalische Entwicklung zu bestimmen, die Ausprägung des Zeitgeistes vorzuleben und die aktuelle Klangtechnik vorzugeben. Zusätzlich schafften sie es, ihren Ruhm bis in die heutige Zeit zu retten, selbst wenn es nach 1993 merklich stiller um sie geworden ist. Vor sieben Jahren feierten Simon Le Bon, Nick Rhodes und Warren Cuccurullo mit der traumhaften Ballade "Ordinary World" ein völlig unerwartetes Comeback. "Ordinary World" stand für die Einsicht von Frontmann Simon Le Bon, der kaum ein Jahrzehnt zuvor zu den beliebtesten, coolsten und von Teenagern am heftigsten angeschwärmten Popidolen gehörte, daß die Zeit unumkehrbar vorangeschritten ist, so daß das, was noch gestern war, vielleicht nie wieder eintreten wird: "I won’t cry for yesterday, it’s just an ordinary world, I will learn to survive". Tatsächlich war "Ordinary World" nur ein einmaliges Aufflackern des Könnens von Duran Duran; bereits 1994 waren sie wieder aus der aktuellen Musikszene verschwunden. Ihre wenigen folgenden Alben wurden in Deutschland gar nicht mehr veröffentlicht, Konzerte in Europa fanden nicht statt, vom Achtziger-Jahre-Revival der letzten zwei Jahre konnten Duran Duran nicht profitieren.

Nun sind die Achtziger wieder vergessen. Ergo Zeit für Duran Duran – eine der besten und weltweit erfolgreichsten Bands der kühlen Dekade –, den erneuten Sprung an die Öffentlichkeit zu wagen. Bei ihrer neuen Firma Hollywood Records ist jetzt das erste Duran Duran-Album des neuen Jahrtausends erschienen, insgesamt das zwölfte in ihrer 20jährigen Karriere. "Pop Trash", so der Titel der neuen CD, könnte von seiner musikalischen Intensität her, der gekonnten, verspielten Arrangements und Simons immer noch brennender, durchdringender, manchmal ein bißchen hysterisch wirkender Stimme, die Band wieder an die Spitze der Hitlisten führen. Die Grundstimmung des Albums ist düster, die Texte einerseits avantgardistisch und verquer, andererseits kritisch und aufrüttelnd. Die erste Single "Someone else not me" ist ein typisch britischer Popsong, ohne jedoch dem Hype "Britpop" aufzusitzen, "Hallucination Elvis" rockt sanft, ist aber zusätzlich sehr tanzbar und eingängig. Gleiches gilt für "Lava Lamp", während "Starting to remember" eindeutig die Güteklasse von "Ordinary World" oder gar "Save a Prayer" (Duran Durans bester Ballade ) erreicht. Der Titelsong erinnert an die Beatles in ihrer Endphase, während "Lady Xanax" von seiner Gesangsmelodie her an den frühen Bowie angelehnt ist. "The Sun doesn’t shine forever" ist nahezu das einzige wirklich romantische Stück der einstigen Begründer der "New Romantics", dessen weiche, warme Grundhaltung jedoch mit dem daran anschließenden nervös hartrockigen, apokalyptischen "Last Day on Earth" schnellstens konterkariert wird.

Aus genau dieser Mischung von sanfter Romantik und nervösen Rock- und Funkrhythmen waren Duran Durans frühere Welterfolge von "Girls on Film" über "Rio", "The Reflex", "A View to a Kill" bis zu "Notorious" und "Violence of Summer" gestrickt. Die Sex Pistols, Chic oder Roxy Music galten als Duran Durans große Vorbilder zu Beginn ihrer Karriere: Simon und Co. wollten die Aggressivität des Punk mit schwarzen Untertönen à la Chic verbinden und das ganze an die kühl-mondäne, positiv-dekadente Eleganz von Bryan Ferrys Truppe anlehnen. Heute scheinen die Beatles und David Bowie die deutlichsten Einflüsse auf Duran Durans Kompositionen und Arrangements zu sein. "Pop Trash" ist ein konstruktiv-nervöses, intelligentes, denk- und tanzbares Album einer gereiften Rockband.


 
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