© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Jochen Abraham Frowein
Das Auge Brüssels
von Xenia Backhaus

Der "Kollektivrausch politi scher Moralisten", über den der Grazer Sozialphilosoph Karl Acham auf dem Höhepunkte der Brüsseler Anti-Haider-Hysterie spottete, ist mittlerweile der Katerstimmung gewichen.Es geht den EU-Boykotteuren nur noch darum, sich mit minimalem Gesichtsverlust von ihrer peinlichen Isolationspolitik zu verabschieden. Darum schickt man nun "drei Weise" nach Wien, die sich dort über die "Menschenrechtslage" informieren sollen, obwohl es für eine solche Expedition schätzungsweise 180 lohnendere Ziele auf dem Globus gibt.

Neben dem Finnen Martti Ahtisaari und dem Spanier Marcelino Oreja gehört der deutsche Jurist Jochen Abraham Frowein dem denkwürdigen Trio an. Traut man den im Internet abrufbaren Daten zur Vita des 65jährigen Direktors des Heidelberger Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, dann qualifizieren ihn – vor jeder fachlichen Kompetenz – zwei gutmenschliche Prägungen: Sein Familienname gehe auf calvinistische Wurzeln zurück, der zweite Vorname weise auf jüdische Verwandte. Ein Jurist also, der selbst ein Minderheitenschicksal erfuhr, das ihn "sensibel" macht für die "Not" der ähnlich wie Basken oder Korsen drangsalierten Minderheiten Österreichs.

Was nicht im Weltnetz steht, gehört ins konventionelle BRD- Kapitel "Väter und Söhne". Frowein entstammt einer bergischen Industriellenfamilie, an der sich das calvinistische Credo vom Auserwähltsein der Erfolgreichen wunderbar erfüllte. Der deutschnationale Großvater Abraham Frowein, ein "typischer Vertreter der Großbourgeoisie", wie man ihn keineswegs abschätzig charakterisierte, war Vorstandsmitglied der deutschen Arbeitgeberverbände und agierte seit 1936 im Werberat der deutschen Wirtschaft, nachdem er 1933, im Zuge der "Arisierung", den Aufsichtsratsvorsitz der Kaufhof AG übernommen hatte. Als honoriger Mann wurde er auch von den britischen Besatzern wieder mit wirtschaftspolitischen Funktionen betraut. Ebenso wie der Großvater zählte auch der Vater als Diplomat nicht zu einer aus- gegrenzten,sondern zu einer wohletablierten Minderheit.

Froweins Hinwendung zur Menschenrechts-Thematik kann man also eher als Reaktion auf familiäre Privilegierung deuten. Fast schon als Überkompensation, wenn man sieht, wie sich der Völkerrechtler von 1973 bis 1993 in der Europäischen Menschenrechtskommission engagierte, deren Vizepräsident er seit 1981 war. Der Kommentar der 1950 unterzeichneten Europäischen Menschenrechts-Konvention weist Frowein als Mitverfasser aus, die einschlägige Publikationsliste ist lang. Er zählt damit zu den profiliertesten Anwälten jenes humanitaristischen Interventionismus, den Brüssel gegen die Wiener ÖVP/FPÖ-Koalition außenpolitisch erstmals erprobte. Professor Frowein wird seinen Auftraggebern jedoch bald gesichtswahrend bescheinigen, daß sie noch weit von jener Virtuosität entfernt sind, zu der es die Washingtoner Meister in dieser Disziplin gebracht haben.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen