© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Zeitschriftenkritik: Tagespost
Unerschütterlicher Glauben
Werner Olles

In einer Zeit, in der die Einschaltquoten zum Beispiel des Verblödungsindustriellen Stefan Raab die Deutschen endgültig als Volk der Dichter und Denker diskreditierten und in der "die Fähigkeit, einen Dialog zu führen und zu einem spannenden Verfahren zu machen, verschwunden ist, so wie ein Kunstwerk ausstirbt" (Botho Strauß), muß allein der Versuch, das Transzendente und Theologische in die intellektuelle Auseinandersetzung zu holen, als großes Wagnis definiert werden. Tatsächlich ist es jedoch gerade dieser über Jahrtausende gesammelte Gedankenreichtum, der vielleicht als einziger eine Wende herbeiführen könnte. Kein Wunder, daß unsere pseudokritische Spaßintelligenz alles, was mit echter Religiösität zu tun hat, verabscheut wie der Teufel das Weihwasser. Dahinter verbirgt sich die pure Angst, der von ihr fanatisch gepredigte, mit Hedonismus gepaarte Individualismus und Egoismus könnte endlich als das entlarvt werden, was er in Wahrheit ist: grenzenlose Asozialität.

Die dreimal wöchentlich im 53. Jahrgang in Würzburg erscheinende Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur – vormals Deutsche Tagespost – Katholische Zeitung für Deutschland – versucht mit ihren religionsphilosophischen und theologischen Beiträgen dem Leser nicht nur eine Orientierung für den Glauben im dritten Jahrtausend zu geben, sondern überrascht auch immer wieder mit fundierten politischen Analysen und kulturkritischen Texten. So gehört Jürgen Liminskis Beitrag zum Tode des syrischen Diktators Hafez el Assad wohl zum Besten, was die deutsche Presse zu diesem Thema publiziert hat. Hervorragend sind auch die kompetenten Kommentare zum diesjährigen Katholikentag in Hamburg: Spaßkultur auf katholisch oder Wie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ein traditionsreiches Laientreffen für die durchsichtigen Zwecke von "Donum vitae" umfunktionierte und dabei in stalinistischer Manier Andersdenkende ausgrenzte.

Die Tagespost findet auch klare Worte zu den Willkürmaßnahmen der Europäischen Union gegen Österreich, kritisiert historisch-zeitgeistgemäß zurechtgeschluderte Tatort-Krimis ("Die Rattenlinie"), mischt sich mutig in die Diskussion um die verbrauchende Embryonenforschung ein und stellt sich der Frage nach dem Engagement Martin Heideggers und seiner Haltung zu 1933. Im Forum finden sich Beiträge von Josef Isensee zu "Christentum und Verfassungsstaat", von Gabriele Gräfin Plettenberg über "Katholisches Leben in einer entchristlichten Welt" oder von Jürgen Liminski über die christliche Familie als "Wiege des Gemeinsinns, Schule der Solidarität".

Will man das Credo der Tagespost auf einen Nenner bringen, dann müßte dieser lauten: Wenn Deutschland und Europa ihre kulturellen Wurzeln bewahren wollen, kommen wir an der Person Jesu Christi nicht vorbei. Dazu gehört neben einem unerschütterlichen und sichtbaren Glauben als Quelle des Glücks auch ein kritisches Selbstbewußtsein gegenüber dem Staat und seinen Institutionen.

 

Verlag Johann Wilhelm Naumann, Juliuspromenade 64, 97070 Würzburg. Einzelpreis: 2,45 DM, der monatliche Abonnementspreis beträgt 30,25 DM.


 
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