© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/00 21. Juli 2000

 
Komik der Misere
Kino: "The Impostors" von Stanley Tucci
Werner Olles

New York in den dreißiger Jaren. Die beiden arbeitslosen Schauspieler Arthur (Stanley Tucci) und Maurice (Oliver Platt) halten sich mit Kleinkunstdarbietungen einigermaßen über Wasser. So versuchen sie in einer Konditorei mit einem kleinen Rollenspiel ein paar Patisserien zu ergattern, werden aber statt der erhofften Windbeutel mit zwei Theaterkarten für "Hamlet" abgespeist. In einer Kneipe macht sich Maurice anschließend über den miserablen Hauptdarsteller Jeremy Burton (Alfred Molina) lustig, nichtsahnend, daß der eitle Mime gerade hinter ihm steht. Nach einer wilden Keilerei ergreifen die beiden die Flucht und verstecken sich am Hafen in einer großen Kiste.

Als sie am nächsten Morgen erwachen, befinden sie sich an Bord eines Luxusdampfers und bereits auf hoher See. Unter den illustren Passagieren sind neben einer entthronten Königin (Isabella Rossellini) und einem von seiner Braut verlassenen lebensmüden Schnulzensänger (Steve Buscemi, sensationell gegen den Strich besetzt), eine geldgierige Witwe (Dana Ivey) mitsamt ihrer depressiven Tochter (Hope Davis), ein heimlicher Revolutionär (Tony Shaloub), der das ganze Schiff in die Luft sprengen will, ein ausgekochtes Gaunerpärchen (Richard Jenkins und Allison Janney), das einen afrikanischen Scheich (Teagle Bougere) ermorden will, sowie der deutsche Chefsteward Meistrich (Campbell Scott), der obsessiv in die herzensgute, jedoch einem anderen jungen Mann zugetane Chefstewardess Lily (Lili Taylor) verliebt ist, und schließlich der untalentierte und chronisch gereizte Hamlet-Darsteller Jeremy Burton.

Als Stewards verkleidet beginnen Arthur und Maurice nun ein ebenso atemberaubendes wie zwerchfellerschütterndes Versteck- und Enthüllungsspiel, an dessen Ende sie – nachdem sie alle Register ihrer Schauspielkunst gezogen haben – die vielen Aufschneider und Hochstapler glatt an die Wand spielen, das Schiff retten und mehrere Pärchen glücklich machen.

"The Impostors" mißt das ganze Spektrum der Komödie aus, von der wilden Farce, der Slapstick- und Screwball-Comedy bis zur romantischen Salon-Comedy. Scheinbar ohne jede Anstrengung türmt Regisseur und Drehbuchautor Stanley Tucci, der gleichzeitig als sein eigener Produzent und Hauptdarsteller fungiert, eine geistreiche Verrücktheit auf die andere, bis man sich irgendwann bang fragt: Wie soll das nur alles enden? Zuvor werden die Zuschauer aber reichlich entschädigt durch ein wahres Feuerwerk von exzentrischen Einfällen, die die Schraube des schwarzen Humors immer fester anziehen. Denn in der Tat geht es auf dem Ozeanriesen zu wie bei Hempels unterm Sofa. Und unseren beiden unglückseligen und hungrigen Schauspielern bleibt kaum etwas anderes übrig, denn als einzige und letztlich immer treffende Waffe in dieser offenbar schlechtesten aller möglichen Welten Unlogik und Ungeschicklichkeit logisch und geschickt einzusetzen. Arthur und Maurice sind quasi der Inbegriff der Überlebenskünstlers in einem verrückten Dasein. Daß sie dabei den beiden Protagonisten aus Billy Wilders unvergessener und unvergänglicher Komödie "Some like it hot" so unverschämt ähnlich sind, tut der Sache keinen Abbruch.

Mit jedem Meter Film wächst das Staunen über die Kunstfertigkeit, mit der hier bei allem Sprachspiel und Wortwitz auch jede Menge Kalauer ins Cineastische transportiert werden, ohne dabei an Beweglichkeit und unberechenbarer Sprunghaftigkeit zu verlieren. So genügen oft nur wenige, knapp skizzierte Details, um hochkomische, absurde Situationen vor Augen zu führen. Vorangetrieben wird das alles von der offenkundig enormen Erzähl- und Inszenierlust Tuccis, der über einen geschärften Blick für Gestik und Interieur verfügt und großen Spaß an philosophischem Quatsch und scharfsinnigen Verdrehtheiten hat.

Verblüffend und wunderbar aber ist, wie leichtfüßig und unprätentiös das alles in dieser Wahnsinnskomödie zusammenwächst. Schon um die Details zu entdecken, möchte man "The Impostors" mehrmals anschauen. Wer ein Beispiel für eine gelungene Komödie abseits und nach dem Kurzzeitboom des sogenannten neuen deutschen Films sucht, findet es hier. Nebenbei erinnert Stanley Tucci uns daran, was Kino auch im Zeitalter der Computertrick-Besessenheit und Fäkalwitz-Manie noch sein kann: eine Kunstform, ein emotionales Medium.


 
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