© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/00 28. Juli / 04. August 2000 |
||||
Ein Linsengericht von Ronald Gläser Eigentlich war die Realität längst an die internationalen Finanzmärk te zurückgekehrt. Dubiose Internetfirmen wurden nicht mehr von ahnungslosen Analysten über den Klee gelobt, die Preise für Hochtechnologieaktien hatten sich auf einem erträglichen Niveau eingependelt. Gleichzeitig hat sich seit der gescheiterten Fusion von Deutscher und Dresdner Bank Ernüchterung gegenüber Firmenfusionen breitgemacht. Doch jetzt hat Telekom-Chef Ron Sommer in einem Akt der Unvernunft die eigentlich überwunden geglaubte Fusionitis gepaart mit der Überbewertung wieder auf die Tagesordnung der Börsenhändler gesetzt. Für 100 Milliarden Mark erwirbt die Deutsche Telekom mit Voice-stream ein Unternehmen, das hierzulande nicht einmal dem Namen nach bekannt ist. Das Unternehmen aus den Südstaaten verfügt als einziger Mobilfunknetzbetreiber in Amerika über den vorteilhaften europäischen GSM-Standard. Diesen technischen Vorsprung gegenüber den zahlreichen Konkurrenten honorieren die Bonner mit schier unvorstellbaren 50.000 Mark pro Voicestreamkunde. Doch Voicestream verdient kein Geld, obwohl andere Mobilfunkprovider schwarze Zahlen schreiben. Also amortisiert sich diese Investition nicht von selbst. Letztlich haben die Anleger bei der dritten T-Aktien-Emission Ron Sommers Einkaufstour finanziert. Die Quittung folgte auf dem Fuße: Der Kurs der T-Aktie wie auch der von Voicestream fiel. Kleinanleger lassen sich nicht mehr vorgaukeln, daß jeder Machtzuwachs der Konzernspitze auch in ihrem Interesse liegt. |