© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/00 28. Juli / 04. August 2000

 
Waltraud Meier
Maria Callas redivivus
von Wiebke Dethlefs

Wer von der Bunten als "Die Callas der Jetzt-Zeit" gefeiert wird, macht sich vermutlich Gedanken, ob soviel marktschreierisches Lob nicht eher rufschädigend wirkt. Dann werden gute Freunde Waltraud Meier aber wohl überzeugt haben: Wo die Bunte Recht hat, da hat sie Recht.

Seit Anfang der Achtziger ist die heute dreiundvierzigjährige Künstlerin die gesuchteste deutsche Opern- und Konzertsängerin, die auch in diesem Sommer wieder das Festspiel-Publikum in Bayreuth und Salzburg verzaubern wird.Dabei war der Würzburgerin eine künstlerische Laufbahn anfangs nicht zugedacht. Aus musikliebender Familie stammend, entschloß sie sich erst während ihres Lehramtsstudiums, nur noch für ihre Sängerlaufbahn zu arbeiten. Nach ihrem Würzburger Debüt 1976 begann ihr kometenhafter Aufstieg. An den ersten Opernhäusern Deutschlands erarbeitete sie sich ein breites Repertoire, das in gleicher Weise Wagner, Verdi und Richard Strauss umfaßt. Die Weltkarriere aber begann 1983 auf Bayreuths Grünem Hügel. Zehn Jahre durfte sie dort die Kundry im "Parsifal" verkörpern, die den Kritikerpapst Joachim Kaiser hymnisch werden ließ.

Waltraud Meier und Wagner - eine so tiefe wie gewinnbringende Beziehung. Auch wenn sie sich nicht ausschließlich auf den Meister festlegen will, feierte sie mit ihre schönsten Erfolge, nachdem sie 1993 vom ursprünglichen Mezzosopran ins dramatische Sopranfach wechselte und seither als "die" Isolde gilt. Die deutsche "Primadonna assoluta" verbindet in singulärer Weise Gesangskunst mit schauspielerischer Bühnenpräsenz.

Doch nicht nur im hochdramatischen Fach, sondern auch in der intimen Sparte des Liedgesangs, singt Frau Meier außer Konkurrenz. Ihre ungemein farbenreiche, flexible Stimme erfaßt die feinsten Nuancierung des deutschen romantischen Kunstlieds. Hier lebt die "metaphysische" Interpretationskunst der dreißiger bis fünfziger Jahre, die auch Maria Callas zelebrierte, die aber stärker noch bei Elisabeth Schwarzkopf oder Erna Berger präsent war. Das ist der musikalische deutsche Sonderweg, den Sergiu Celibidache in Furtwänglers Fußstapfen ging, und den gegenwärtig "die" Maier und Christian Thielemann, Ex-Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, wieder beschreiten, jener Dirigent, der wegen seiner Vorliebe für Hans Pfitzner als "rechtslastig" gilt und der es zum Entsetzen des linken Feuilletons gewagt hatte, ein Bild Friedrich des Großen in sein Arbeitszimmer zu hängen.

Für ihre Verdienste um die Bayerische Staatsoper, mit der sie seit 1985 verbunden ist, ernannte der bayerische Kultusminister Zehetmair Waltraud Meier 1996 zur Bayerischen Kammersängerin. Dennoch, der Star Waltraud Meier blieb stets frei von allen Allüren und Eitelkeiten, weit weg von den Klatschspalten der Regenbogenpresse. Sie gilt als Weinliebhaberin, schätzt den Roten aus der Toskana. Fürwahr - nicht die schlechteste Beschäftigung nach der Sangeskunst.


 
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