© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/00 28. Juli / 04. August 2000 |
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Rache der 68er für 89 Die Diskussion um eine mögliche Beugehaft für Ex-Kanzler Helmut Kohl reißt nicht ab Volker Schimpff Soll Kohl in Beugehaft? fragte die JF in ihrer vorigen Ausgabe. Im Ausland hält man diese Frage schlichtweg für absurd. Wer vermag sich denn vorzustellen, daß die Franzosen erwogen hätten, General de Gaulle in Beugehaft zu nehmen oder demnächst die Tschechen Vaclav Havel? Von einigen nach Rache lechzenden kretinösen Kommunistenhirnen einmal abgesehen ... So ist die Frage denn politisch. Trauernde Sozialismus-Hinterbliebene lechzen Rache dafür, daß das "bessere" Deutschland und sein großer Sowjet-Bruder in der so bequem zweigeteilten Welt abhanden kamen, die Hoffnung auf alternative, dritte oder sonstwie andere Wege zerstört wurde und der Abschied von der deutschen Nation und ihrem Nationalstaat mißlungen ist. Mit Helmut Kohl kann man alles Verhaßte treffen, das er zu symbolisieren scheint: Das ungeliebte System mit Markt statt Plan und Demokratie statt 68er volunté generale, die Erinnerung an die eigenen Fehleinschätzungen und Fehlschläge, die wiedervereinigte Nation mit ihrem Geschichtsbewußtsein, ihrem wiedererwachten Stolz und ihrem Staat. "Macht kaputt, was euch kaputtmacht!" Helmut Kohl zu demütigen, erfreut die niederen Instinkte, damit kann man auch den Staat, die Institutionen und traditionelle Werte (Ehrenwort!) herabwürdigen. Und die juristische Frage? Untersuchungsausschüsse wenden strafprozessuale Vorschriften an, und da gibt es Beugehaft unter engsten Voraussetzungen als ultima ratio der Aussageerzwingung (freilich nicht gegen Abgeordnete und nicht während laufender Ermittlungsverfahren!), wenn der Untersuchungszweck absolut gefährdet ist. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben - wer glaubt denn ernsthaft, daß nichtgenannte Spender von knapp zwei Millionen Mark damit die Politik der Bundesrepublik Deutschland kaufen konnten! So bleibt die Frage politisch und die Demütigung Kohls, des Staates und der Nation als Selbstzweck des vorgeblich untersuchenden Ausschusses. Beugehaft für Helmut Kohl - absurd!
Volker Schimpff, CDU, ist seit 1990 Abgeordneter im Sächsischen Landtag und dort Vorsitzender des Rechtsausschusses. |