© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/00 11. August 2000

 
CD: Pop
Neues Altes
Holger Stürenburg

"Schon wieder so ein lauer Aufguß besserer Zeiten eines längst vergessenen ’Yesterday‘s Hero!‘", könnte einem in den Sinn kommen, wenn man das aktuelle Album von Howard Jones in den Händen hält, auf dem der frühere Synthigott vor allem alten Hits aus den Achtzigern huldigt. Modern Talking, Mixed Emotions oder Bad Boys Blue haben in den vergangenen zwei Jahren auf übelste Weise vorgemacht, wie man als Künstler auf keinen Fall seinem längst verflogenen Ruhm gedenken sollte. Da wurden romantische Synthi-Kompositionen mit scheußlichem Computer-Bums unterlegt, grausige Rap-Passagen hinzugefügt – und somit ehemals hörbaren Popsongs gänzlich der Charme genommen.

Ganz anders geht der gebürtige Brite Howard Jones bei seinen Neueinspielungen vor, die jetzt unter dem Titel "Perform.00" auf CD vorliegen. Zwar klingen Howards Hits der Jahre 1983 bis 1988 durchgehend neu und sind oft nicht wiederzuerkennen, aber im Gegensatz zu vielen seiner musikalischen Zeitgenossen wird hier nicht auf Teufel-komm-raus modernisiert, sondern werden viel mehr die einstigen reinen Synthikompositionen verfeinert, erwachsener, reifer gestaltet.

Mitte der achtziger Jahre galt Howard Jones mit seinen Synthi-Oden als neuer Stern am New Romantic-Himmel. Neben Nik Kershaw oder Kajagoogoo war er einer der meistgesehenen Gäste in den Hitparaden 1984/85. Der Keyboardakrobat hatte ausschließlich auf Tasteninstrumenten seine romantischen, regentrüben, oft balladesken, aber immer eingängigen Songs geschrieben und diese auf seinen Tourneen auch nur mit verschiedensten Synthesizern im Rücken live dargeboten. Als die New Romantic 1987/88 aus den Hitlisten verschwand, ward auch Howard Jones lange Zeit nicht gesehen. Ein Comebackversuch 1992 mit Radiopop der Sorte "Lift me up" und einer rein akustischen Piano-Clubtour scheiterte. Es dauerte bis 1999, als Howard Jones bei neuer Firma, mit neuem Stil, erneut und erneuert an die Öffentlichkeit trat. Aber auch seine letztjährige musikalische Rückmeldung unter dem Titel "People" gelangte nicht mehr in die Spitzenregionen der Hitlisten.

Also versucht er es jetzt mit seinen Klassikern, denen er neues Leben einhauchte – was ihm sehr gut gelungen ist, zumal er bei seinen Neueinspielungen auf alle modischen Dancefloor-Trends verzichtet und statt dessen seine Synthihits zu orchestralen Pop/Rock-Hymnen umgestaltet hat. Aus der früher etwas abgeklärt wirkenden Nummer "Everlasting Love" aus dem Jahre 1988 wird ein schnittiger Popsong, Jones’ größter Hit "What is Love" (1984) gerät zur bläserbetonten Rockhymne, der einst düstere Synthipop "Pearl in a Shell" mutiert ebenfalls zur Rocknummer, Howards Debütsingle aus dem Jahre 1983, "New Song", wird ein schneller, souliger Discosong, "No one ist to blame" erinnert in seiner Neufassung an die Beatles, "Things can only get better" gerät zur bläserlastigen, südamerikanisch anmutenden Tanzhymne. Bei den Aufnahmen zu "Perform.00" schienen die Synthis konsequent vor der Tür bleiben zu müssen, obgleich das Resultat alles andere als unplugged ist. Vielmehr hat sich Howard entschieden, seinen früher typisch Achtziger-Jahre klingenden Hymnen ein zeitloses Rock/Pop-Arrangement zu verpassen, das auch heutzutage in Radios und Hitparaden seinen Platz finden könnte.

Zusätzlich zu den neuen Versionen alter Hits hat Jones auch einige bislang eher unbekannte Stücke wie "You know", "Tomorrow is now" oder "Let the People have their say" seiner neuen CD beigefügt. Diese beweisen ebenfalls, welch toller Komponist, Arrangeur und Sänger Jones ist. Es ist zu hoffen, daß es ihm mit diesem Album gelingt, nicht nur die Erinnerung seiner alten Fans wachzurufen, sondern vor allem viele neue dazuzugewinnen.


 
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