© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Die Kapitalismus-Falle
Bei der "Kampagne gegen Rechts" spielen wirtschaftliche Interessen eine Rolle
Manfred Ritter

Die Zielrichtung der von den Medien verstärkten "Kampagne gegen Rechts" ist offenkundig. Es geht um die Diskriminierung aller rechten Parteien. Selbst die CSU wird nicht mehr ausgenommen. Für den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit reicht offenbar bereits die Meinung, daß Deutschland kein Einwanderungsland sei. Diese – selbst totalitäre Systeme übertreffende – Propaganda hat auch noch andere weniger offensichtliche Ziele.

Die Linken sind, nachdem die "Internationale des Kapitals" weltweit gesiegt hat, orientierungs- und führungslos. Sie müssen beschäftigt werden, damit sie nicht auf "dumme" antikapitalistische Gedanken kommen. Was eignet sich dazu besser als der Kampf gegen Rechts? So kann man Linke und Rechte aufeinanderhetzen und sie politisch neutralisieren. Die Linken tappen genauso naiv in diese "Kapitalismusfalle" wie viele Rechte.

Alle glauben noch immer, daß die Rechten die politische Stütze des Kapitalismus seien. Sie erkennen nicht, daß das Großkapital die Rechten nicht mehr benötigt, weil die linken von seinen Parteispenden inzwischen genauso abhängig geworden sind, wie die Bürgerlichen. Wir nähern uns insoweit immer mehr den Verhältnissen in den USA.

Die von den Werbungsaufträgen der Großindustrie lebenden Massenmedien sorgen außerdem dafür, daß die Politiker der etablierten Parteien auf keine falschen Gedanken kommen und glauben, sie könnten eine eigenständige Politik betreiben. Sie sorgen auch für das Gleichgewicht der Kräfte zwischen linken und bürgerlichen Parteien. Wenn die Linken wegen ihrer kapitalismuskonformen Politik ins Hintertreffen geraten, holt man die Leichen (zum Beispiel die Parteispendenaffäre) der Bürgerlichen aus dem Keller. Bei dieser Machtkonstellation darf man sich nicht wundern, wenn die existentiellen Probleme unserer Gesellschaft in der öffentlichen Diskussion entweder gar nicht auftauchen oder nur oberflächlich mit ein paar Schlagworten behandelt werden.

Dazu gehört nicht nur die Einwanderungsproblematik, sondern auch das – besonders für die Linken – so wichtige Thema der Wirtschaft. Hier fanden innerhalb weniger Jahre im Rahmen der Globalisierung Umwälzungen statt, die unser altes "Rechts-Links"-Schema bereits weitgehend überholt haben. Es geht inzwischen schon längst nicht mehr um eine innerstaatliche Umverteilung zwischen "arm" und "reich", sondern um gigantische globale Umverteilungsprozesse, an deren Ende die Europäer die Verlierer sein werden und als deren alleiniger Sieger das internaitonale – vorwiegend in den USA angesiedelte – Großkapital hervorgehen wird!

Die zunehmende Verlagerung europäischer Arbeitsplätze in die Billiglohnländer (besonders nach Asien) im Rahmen der Globalisierung wird unseren Massenwohlstand mit seinem sozialen Netzwerk unvermeidbar zerstören. Dies trifft nicht nur den "kleinen Mann", sondern auch den Mittelstand. Über die Folgen, die dies für unsere Gesellschaftsordnung haben wird, sollten alle, die noch ruhig schlafen wollen, besser nicht nachdenken. Das von den Medien derzeit gemalte Bürgerkriegsszenario könnte schneller Realität werden, als selbst Pessimisten erwarten.

Entscheidende Konfliktursache wird dann die allgemeine Verarmung sein, mit der sich heute bereits die Langzeitarbeitslosen besonders in den neuen Bundesländern abfinden müssen. Man hat ihnen einst "blühende Landschaften" versprochen! Sie sind die ersten Globalisierungsopfer.

Daß sich hier ein Protestpotential aufbaut, das mangels Kenntnis der wahren wirtschaftlichen Zusammenhänge in den Ausländern die Konkurrenten um Arbeitsplatz und Sozialhilfe sieht, darf nicht verwundern. Die eigentliche Ursache der Übergriffe gegen Ausländer ist daher die globalisierungsbedingte Wirtschaftslage, die wir der Gewinnmaximierungspolitik des Großkapitals zu verdanken haben, nicht jedoch ausländerfeindliche Propaganda.

Deshalb muß man an alle Politiker und besonders an die Linken und die "Gutmenschen" in den Medien die Frage richten, wie sie diese zentrale Ursache der von ihnen so heftig kritisierten Ausländerfeindlichkeit beseitigen wollen. Wo sind ihre Alternativen zur Globalisierung? Warum kämpft die Linke nicht gegen diese Politik des Großkapitals, das unter schamloser Ausnutzung von Niedrigstlöhnen, fehlender sozialer Absicherung und fehlendem Umweltschutz in den Niedriglohnländern die Arbeitnehmer (besonders unsere Gastarbeiter) in den Hochlohnländern aus dem Rennen wirft?

Die Interessen des "kleinen Mannes" werden längst nicht mehr ernsthaft von der Politik vertreten. Statt dessen weicht man auf Nebenkriegsschauplätze aus wie den Kampf gegen "rechte Ausländerfeinde". Alle Linken, die noch einen Funken von Ehrlichkeit und Idealismus besitzen, sollten erkennen, daß eine solche Politik nur einen "lachenden Dritten" hervorbringt: das internationale Großkapital.

 

Manfred Ritter hat kürzlich zusammen mit Klaus Zeitler das Buch " Armut durch Globalisierung – Wohlstand durch Regionalisierung " (Leopold Stocker Verlag, Graz 2000, 143 Seiten, 29,90 DM) veröffentlicht.


 
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