© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Annemarie Lütkes
Die dubiose Vereinsfrau
von Alexander Schmidt

Die neue Justizministerin Schleswig-Holsteins, Anne Lütkes, kämpft wieder. Nicht wie 1999 um das Amt des Kölner Oberbürgermeisters, sondern gegen die Anschuldigungen des BKA, einen Verein zu unterstützen, der Gelder für Waffen der Volksmudschaheddin erschleiche. Laut Focus empfängt die Iranische Flüchtlingskinderhilfe e.V. – dessen Vorstand sie und ihre Grünenkollegin Kerstin Müller als Gründungsmitglieder angehören – öffentliche Gelder in Höhe 2,5 Millionen Mark.

Während ihr Wahlkampf gegen die Intransparenz der Kölner Verwaltung gerichtet war, profitiert ihr Verein erheblich von den verschlungenen Pfaden der Bürokratie. Diese ermöglichten es ihr nämlich, daß aus einem Topf der Stadtverwaltung pauschale Summen an die Flüchtlingshilfe gelangten, obwohl die Stadtverwaltung Köln nicht wußte, wo welche Kinder sich im einzelnen aufhielten, für die die 211 Mark pro Kopf und Tag überwiesen wurden.

Trotz des möglicherweise erfolgreichen Widerspruchs gegen die Anschuldigungen des BKA bleibt der Nachgeschmack des Grenzganges zwischen den Gesetzen deutlich, der sich bisher über einige Stationen ihres Lebensweges verfolgen lassen kann. Im Rahmen der Notstandsdemonstrationen wurde Anne Lütkes politisiert und gründete als Jura-Studentin das Institut für Recht und Gesellschaft, baute die Basisgruppe Jura und das erste Autonome Frauenhaus auf, 1976 eröffnete sie ein Anwaltsbüro, den Rechtsladen. Während sie in ihren ersten Jahren Geld mit der Verteidigung von Linksextremisten verdiente, gehörte auch der Aufbau des mittlerweile zusammengefallenen alternativen Netzwerkes oder des Kölner Frauenhauses zu ihren Erfolgen.

Einmal die Luft des Politischen geschnuppert, fand Anne Lütkes ihre Heimat bei den Grünen und gelangte über die Mitgliedschaft im Rat, ihre Redaktionszugehörigkeit zum Organ der Kölner Ratsgrünen, Rathaus Ratlos, schließlich auf dem Platz der Spitzenkandidatin fürs Rathaus. Nebenbei findet man sie bei den Unterzeichnerinnen einer Initiative des Kurdistan-Rundbriefes, des Leib- und Magenblatts der PKK-Anhänger, neben anderen Mitgliedern von DKP und PDS. Das sollte sie aber später ebensowenig an ihrer Beförderung in das schleswig-holsteinische Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie hindern wie ihr legendärer Auftritt mit dem damals amtierenden Kölner OB Harry Blum (CDU) auf dem "Christopher-Street-Day". Dort hißten beide auf dem Rathaus die Regenbogenflagge der Homosexuellenbewegung, in Abwesenheit des amtierenden Bürgermeisters Norbert Burger (SPD), der sich bisher immer dagegen verwahrt hatte. Die Erstürmung des Rathauses hatte Symbolwert, nicht nur für die Homosexuellenparade. Lütkes gelangte nach dem Tod des neuen Kölner OB Harry Blums selbst an die Spitze der Kölner Verwaltung.

Am 28. März ist die 52jährige schließlich in Kiel auf ihre neue Aufgabe vereidigt worden. Der dortige CDU-Fraktionschef Martin Krayenburg lobt, daß sie ihr neues Amt im Justizbereich eher pragmatisch angehe – ideologisch geprägt sei dagegen ihre Frauenpolitik.


 
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