© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Gefangen in der Schröder-Falle
"Kampagne gegen Rechts": Die CDU hat sich vergaloppiert
Paul Rosen

Wenn ein ganzes Land gegen den Rechtsextremismus mobil macht, dann darf die CDU nicht fehlen. Flugs legte CDU-Chefin Angela Merkel einen 13-Punkte-Katalog mit der schönen Überschrift "Mit Recht gegen Rechts" vor. In dem Papier wird die ganze Hilflosigkeit der Partei deutlich. Sie muß einerseits auf der großen Welle der Empörung mitschwimmen. Neidvoll muß Frau Merkel andererseits anerkennen, daß nur die Schwesterpartei CSU es verstanden hat, die politische Diskussion mitzubestimmen und mit der Forderung nach einem Verbot der NPD die rot-grüne Koalition in Zugzwang gebracht hat.

Erinnern wir uns: Ehe die politische Klasse und das Bildungsbürgertum die Schrecken von rechts wiederentdeckten, beteiligten sich die Akteure an der bundesweiten Jagd auf Kampfhunde, ein ebenso heftiges Thema für den themenarmen Sommer. Selbst Dackel gerieten unter Verdacht, sich wie Kampfhunde zu verhalten. Irgendwann kippte die Kampagne. Die Berliner B.Z. fand einen in der Spree ertränkten Dobermann und titelte: "In Berlin kannst Du nicht mehr Hund sein." Damit war das Thema Kampfhunde erledigt. Briefträger müssen jetzt wieder auf eigene Faust versuchen, ihr Leben in deutschen Vorgärten zu retten. Die Polizei hat nach rechten Verbrechern zu fahnden.

Wer Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seiner vorsommerlichen Pressekonferenz in Berlin genauer zugehört hatte, wußte, was als nächstes Thema kommen würde: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Geschickt flocht Schröder das Rechts-Thema in seine Äußerungen ein und wartete die Resonanz ab. Die Schröder-Worte fanden sich in allen Zeitungen und Fernsehnachrichten. Das war der Startschuß für die Kampagne. Als auch noch in Düsseldorf ein Bombenanschlag stattfand, dem aus Rußland und der Ukranie stammende Einwanderer jüdischen Glaubens zum Opfer fielen, wurde die Kampagne zum Medien-Selbstläufer, auch wenn bis heute nicht geklärt ist, welchen Hintergrund der Anschlag hat. Möglicherweise sind es rechtsextremistische Motive, möglicherweise aber auch nicht.

Schröder jedenfalls konnte in Ruhe in Urlaub fahren, weil sich die ganze Republik mit der Bewältigung der Folgen der Vergangenheit und mit den Unbelehrbaren beschäftigte, nicht aber mit seiner Regierungspolitik, die er noch kurz vor den Ferien mit einem grandiosen Steuerreform-Sieg im Bundesrat mit Sieger-Image hatte versehen können. Die Fakten gerieten dabei in Vergessenheit oder wurden erst gar nicht zur Kenntnis genommen: Besonders in den neuen Bundesländern, wo rechtsextremistische Bestrebungen schon zu DDR-Zeiten einen Schwerpunkt hatten, ist die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund zurückgegangen. Bei der Bundeswehr, für Linke stets ein Hort des Nationalismus und somit per se unter Rechtsextremismus-Verdacht, fand sich während des Sommers nur ein Feldwebel, der versucht hatte, eine Internet-Homepage mit der Wahnsinns-Adresse "Heil-Hitler.de" anzumelden. Bei der 300.000 Mann zählenden Truppe war die Zahl der Vorfälle mit möglichem (nicht erwiesenem) rechtsextremistischem Hintergrund während des letzten Jahres auf weit unter 100 gefallen. Für die Einbeziehung in die Kampagne reicht das nicht, so daß auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping einen ruhigen Sommer haben dürfte.

Ein Problem bekam Schröder allerdings mit der bayerischen Staatsregierung. Die CSU-Mannen von Ministerpräsident Edmund Stoiber hatten scharf erkannt, daß sie bald in die Kampagne einbezogen werden würden. Denn selbst die Bild-Zeitung kann ihren Lesern nicht dauernd Features von Mahnwachen vor abgefackelten Döner-Buden in Eisenach anbieten. Die zweite Stufe einer Kampagne muß dann darin bestehen, der bürgerlichen Opposition die grundsätzliche Verantwortung für rechte Gewalttaten oder Demonstrationen zuzuweisen und damit auch von der eigenen Untätigkeit oder Fehlern der Vergangenheit abzulenken. Die Denkrichtung zeigt sich in Äußerungen der Grünen-Sprecherin Renate Künast, die der Union vorwarf, das Klima zu vergiften, weil sich die Opposition für eine Änderung des Asylrechts ausgesprochen habe. Doch diese zweite Stufe erreichte die Kampagne nicht mehr.

Denn Bayerns Innenminister Günther Beckstein schoß den Ball nach Berlin zurück und erzielte einen Volltreffer in Schröders Tor. Beckstein forderte einen Verbotsantrag gegen die NPD von der Bundesregierung, die damit die Verantwortung zurückerhielt und unter Handlungszwang gesetzt wurde. Denn Kampagnen sind einem Flächenbrand nicht unähnlich. Sie brauchen stets neue Nahrung, um weiterbrennen zu können. Der Antrag, eine Partei zu verbieten, läßt sich aber nicht im Schnellverfahren auf die Tagesordnung des Kabinetts setzen und am nächsten Tag ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe faxen. Schröder müßte etwas tun, was ihm stets fremd war: Akten lesen und sich in ein Thema einarbeiten. Eine schnell eingesetzte Arbeitsgruppe von Staatssekretären und Verfassungsschützern teilte in Berlin mit, sie brauche mindestens bis Oktober, um eine Empfehlung vorlegen zu können. In der Koalition kam es zu kuriosen Äußerungen: Umweltminister Trittin befürwortete das NPD-Verbot mit dem Hinweis, schließlich sei auch die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) verboten worden – nicht wissend, daß es sich bei der FAP um einen Verein und nicht um eine Partei handelte. Die FAP konnte daher von den Innenbehörden verboten worden. Innenminister Otto Schily zeigte sich als großer Zweifler. Er dürfte um die juristischen Schwierigkeiten eines Parteiverbotes wissen.

Nur die CDU verfiel dem Aktionismus, den sie der rot-grünen Koalition zunächst selbst vorgeworfen hatte. Frau Merkel forderte in ihrem Aktionsplan zum Beispiel schnellere Gerichtsverfahren gegen Rechtsextremisten und richtete eine Homepage ein, wo Bürger rechtsextreme Internet-Angebote melden können. Auch verlangte sie, daß sich Betriebe von rechtsextremistischen Mitarbeitern möglichst schnell trennen sollten, eine Forderung, die den Handwerkspräsidenten Dieter Philipp zur Verzweiflung trieb: Denn ein mit der NPD sympathisierender Maurer läßt sich nicht ohne weiteres hinauswerfen.

Bei der CDU-Führung wird deutlich, daß sie den Hintergrund der Rechtsextremismus-Debatte nicht verstanden hat: Schröder geht es nicht darum, den Sumpf politisch motivierter Gewalt endgültig trockenzulegen. Sonst hätte er nicht in seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen den Verfassungsschutz personell halbiert. Im SPD-regierten Sachsen-Anhalt wurde der Verfassungsschutz faktisch aufgelöst. Und daß die NPD in Berlin durchs Brandenburger Tor marschieren konnte, liegt daran, daß SPD und Grüne die alte Bonner Bannmeilenregelung mit ihren Demonstrationsverboten nicht auf die Hauptstadt übertrugen. Nur Stoiber kam auf den Gedanken, daß die Demokratie wehrhaft sein muß und daß nur ein starker Staat erfolgreich Gewalt, egal woher sie kommt, bekämpfen kann.


 
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