© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000


Ceausescus wahrer Enkel
Rumänien: Die "Großrumänien"-Partei wird nicht an die Regierung kommen / Stilles Bündnis mit den Neokommunisten
Ivan Denes

Vergangenen Monat hat das rumänische Parlament – auf Druck des Europarates – ein Gesetz verabschiedet, das die strafrechtliche Verfolgung von Homosexualität aufhebt, wenn nicht durch gleichgeschlechtliches Sexualverhalten öffentliches Ärgernis ausgelöst wird. Alle im Parlament vertretenen Parteien stimmten dem Gesetz zu – mit einer Ausnahme: die "Großrumänien-Partei" (Partidul România Mare, PRM) war dagegen, weil Homosexualität nicht mit ihrem christlich-orthodoxen Glaubensbekenntnis vereinbar sei.

Nichts charakterisiert die PRM besser als dieses Beispiel: Im Unterschied zu allen anderen nationalsozialistischen oder faschistischen Bewegungen Europas, war der rumänische Faschismus christlich-orthodox "angehaucht". Die PRM leitet sich aus dieser Tradition ab – wenigstens zur Hälfte. Den anderen ideologischen Teil liefert die ehemalige KP, bzw. die Securitate (die rumänische Staatssicherheitspolizei der KP-Ära), aus deren Rängen die Partei hervorgegangen ist.

Wie der rumänische Faschismus, so unterschied sich auch der rumänische Kommunismus von allen anderen KP-Regimen Europas, besonders während der langen Alleinherrschaft Nicolae und Elena Ceausescus. Zu diesen spezifischen Zügen gehörte auch ein extremer Nationalismus, der einen hohen Assimilationsdruck auf die zahlreichen Minderheiten des Landes – Ungarn, Deutsche, Juden, Roma – zur Folge hatte.

Als Sprachrohr dieses originellen Gemisches fungierte die Bukarester Wochenzeitung Saptamâna (Die Woche), die schrittweise, aber offenbar mit finanzieller Unterstützung der Securitate, aus einem schlichten Programmheft zu einem polemischen Träger einer eigenartigen, "faschisto-kommunistischen" Ideologie wurde. Saptamâna scheute sich nicht – trotz gesetzlichen Verbots – offen antisemitische Beiträge zu veröffentlichen, etwa Angriffe auf den damaligen Großrabbiner des Landes, Moses Rosen.

Chefredakteur des Blattes war ein bekannter Schriftsteller, Eugen Barbu, der parallel zu seiner literarischen Karriere bis zum Mitglied des ZK der KP aufrückte. Zur Redaktion von Saptamâna gehörte ein junger, nicht unbegabter Dichter namens Corneliu Vadim Tudor, der sich mit seinen huldigenden Versen zu Ehren Elena und Nicolae Ceausescus zu einem der bekanntesten Hofschranzen des Diktatorenpaars hochschrieb. Kenner der Bukarester Szene lassen keine Zweifel daran, daß Tudor gleichzeitig ein emsiger Securitate-IM gewesen war.

Nach der "Wende" 1990 verwandelte Barbu die Saptamâna in die Wochenzeitung România Mare, aus der die gleichnamige Partei hervorging. Barbu wurde in das rumänische Oberhaus, in den Senat gewählt. Doch er erkrankte bald an Alzheimer und verstarb. Auch Tudor wurde Senator – und Nachfolger Barbus sowohl bei der Zeitung als auch in der Partei. România Mare ist eine Anspielung auf die Grenzen Rumäniens nach dem Ersten Weltkrieg und steht für den Daueranspruch auf jene Gebiete, die der heutigen Republik im Vergleich zum Königreich "Großrumänien" fehlen – nämlich Bessarabien und die nördliche Bukowina (Buchenland), die zu Moldavien und zur Ukraine gehören und die zwei südlichsten Bezirke der Dobrudscha, heute in Bulgarien.

Aus den ersten Wahlen nach der Ceausescu-Ära gingen die Neokommunisten des Ion Iliescu als Sieger hervor. Die PRM war, aufgrund ihrer Bindungen an den ehemaligen Sicherheitsapparat und der nationalistischen Tradition der rumänischen Kommunisten, mit dem Iliescu-Regime eng verbunden. Sie war aber für das schlaue politische Chamäleon Iliescu nicht "salonfähig". Ton und Stil des Corneliu Vadim Tudor ließen ihn als koalitionsunfähig erscheinen, was aber seine "stille" parlamentarische Allianz mit der neokommunistischen Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) nicht verhinderte.

1996 wurde die PDSR abgewählt und von einer bürgerlichen Koalition ersetzt. Emil Constantinescu, von der Demokratischen Konvention getragen, wurde Staatspräsident. Die neue Regierung erwies sich jedoch ebenso unfähig wie ihre Vorgänger. Das Land dümpelt in einer tiefen moralischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krise. Die jüngsten Kommunalwahlen brachten erhebliche Gewinne für PDSR und PRM – wohl aus lauter Verzweiflung.

Die PRM verfolgt unter diesen Umständen eine systematische nationalistische Hetze, gepaart mit wütenden Angriffen gegen jeden Versuch einer durchgreifenden Reform. Die rumänische Regierung steht unter ständigem Druck des Internationalen Währungsfonds, so fällt es den Großrumänen leicht, die "düsteren Kräfte" anzuprangern, die ihr antirumänisches Unwesen sowohl in Amerika als auch daheim, in Bukarest, treiben.

Da weniger als 20.000 Juden in Rumänien übriggeblieben sind, ist der Antisemitismus eigentlich brotlose Kunst geworden – trotzdem drohe auch im Karpathen-Reich die "weltweite Verschwörung". Die deutsche Minderheit ist ebenfalls bis in die Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Hingegen stellen die Ungarn noch immer etwa 8 Prozent der Bevölkerung, und deren unentwegte Forderungen nach Regionalautonomie – gepaart mit revisionistischen Tönen aus Budapest – munitionieren die PRM.

Die Unterstellungen und Verleumdungen, zu denen Tudor in Wort und Schrift fähig ist, die Maßlosigkeit seiner, oft auf falscher oder Teilinformation und Halbkultiviertheit gründenden Behauptungen, übersteigt die Grenzen des mitteleuropäischen Anstandes. Er greift jeden demokratischen Politiker an, weil er Rumäniens Zukunft nicht in der demokratischen Ordnung zu erkennen wähnt.

Bei den im Herbst fälligen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen droht eine Neuauflage des Iliescu-Regimes, die PDSR wird zumindest stärkste Partei. Auch Tudor hat seit 1999 ständig Neuwahlen gefordert, weil den Meinungsumfragen zufolge auch die PRM einen wachsenden Zulauf erlebt: 15 Prozent seien drin. Trotzdem sind Tudors Chancen, als Minister in die Regierung aufgenommen zu werden, minimal. Der alte und eventuell neue Präsident Iliescu ist viel zu schlau, um nicht zu wissen, welche Reaktionen die Regierungsbeteiligung einer derart kompromittierten Figur wie Tudor und dessen Partei im Westen auslösen würde. Außer dem französischen Front National sind keine offiziellen ausländischen Partner Tudors bekannt. Ein möglicher EU-Boykott würde Rumänien ins Chaos stürzen.


 
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