© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00 18. August 2000

 
Der romantische Royalist
Öffentlichkeitsarbeit für Queen Mum: Der Fotograf Cecil Beaton
Dagmar Schley

Warum ist die Anfang dieses Monats 100 Jahre alt gewordene britische Königin-Mutter, "Queen Mum", so populär? Weil sie, wie es bundesdeutsche Regenbogen-Medien sich unablässig anbiedernd kolportieren, im Herbst 1940 ihre "Volksnähe" während der Luftschlacht über England bewies, als sie im Londoner Osten ausgebombte Proletarier aufmunterte?

Wohl kaum. Die East End-Besuche waren nur ein Moment in einer Abfolge höchst geschickter Inszenierungen, die Lady Elizabeth seit 1936, als ihr Gatte den Thron bestieg, in den Mittelpunkt stellten. Die Windsors hatten schon in den zwanziger Jahren innovative Wege beschritten, um das britische Königshaus werbewirksam zu präsentieren. 1923 war es gerade die Hochzeit der schottischen Gräfin Elizabeth Bowes-Lyon mit Albert, Herzog von York, dem späteren Georg VI., die per Direktübertragung im Rundfunk zum "Hör-Ereignis" und damit zum ersten modernen Medienspektakel geriet. Das Radio als neues Massenkommunikationsmittel hat nicht wenig zum positiven Image der britischen Monarchie in den zwanziger und dreißiger Jahren beigetragen. Bis dann der Tag im Dezember 1936 kam, an dem Edward VIII. über die BBC seine Abdankung erklärte, um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten zu können.

Die traumatische Erfahrung dieses Thronverzichts kompensiert zu haben, gehört zu den Verdiensten des Fotografen Cecil Beaton (1904–1980). Seine Aufnahmen stilisierten die Gattin des öffentlichkeitsscheuen, stotternden George VI., die nachmalige Queen Mum, zur Märchenkönigin. Beatons Bilder von Queen Elizabeth speisten die Sehnsucht nach der glücklich-halkyonischen Vorkriegszeit und legten die neue Deutung der Monarchie im Zeichen unerschütterlicher Mutterliebe und verhaltener Schönheit nahe, nach der irritierenden Episode mit dem mondän-unsteten Edward VIII.

Solche Verklärungen führen unvermittelt an den archimedischen Punkt, der alle Arrangements Beatons, einem der bedeutendsten Fotografen des Jahrhunderts, erschließt. Der Kunsthistoriker David Allan Melor, der einen opulent ausgestatteten Bildband mit Beatons Werken einleitet, arbeitet diese politische Dimension im Schaffen eines gemeinhin "nur" als "Modefotografen" bekannten Künstlers kurz aber prägnant heraus. Beaton habe die Gefahren der mechanisierten Moderne mit dem Bolschewismus assoziiert. In seinen frühen Sammelalben hätten sich Zeitungsausschnitte über "Die Ermor- dung der Zarentöchter" gefunden. Für den jungen Beaton sei das gleichbedeutend gewesen mit einem Anschlag auf adelige Weiblichkeit und königliche Schönheit, den er als Sprößling der monarchistischen middle class mit Entsetzen zur Kenntnis genommen habe: "Der Bolschewismus war zweifellos in Beatons Reifejahren das kulturelle Schreckgespenst für die britische Mittelklasse. Beaton fürchtete, daß er aller ’Schönheit‘ ein Ende bereiten würde."

Der "romantische Konservative", der zwischen 1936 und 1955 soviel zur Belebung der monarchistischen Schwärmerei und zur idealisierenden Rückbesinnung auf den "Toryismus" beitrug, war früh bestrebt, seinen Traum von der Vergangenheit fotografisch zu illustrieren und ihn gegen die Häßlichkeit der Massengesellschaft auszuspielen. Leitend wird dabei seine Vorstellung von der Frau als aristokratischem, strahlend-schönem Luxuswesen, das sich nicht vernutzen läßt. Beatons Schönheiten werden in der realen Welt von modernisierungswütigen Elementen bedrängt. In seiner retrospektiven Utopie der Geschlechter steht die künstliche Prinzessin über der emanzipierten Frau der Nachkriegszeit. 1928 äußerte sich der mit ersten Erfolgen als Gesellschaftsfotograf reüssierende Beaton entsprechend verächtlich zum Thema Frauenwahlrecht, das einer "Rasse von gleichgültigen, unwirklichen Roboterfrauen" den Weg bereite. Daß der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, der erfolgreich alles tat, um dem vorbestimmten Berufsschicksal in der Londoner City zu entkommen, den Aufstieg von jüdischen Einwanderern in die britische Oberschicht mit der Ausbreitung der von ihm gefürchteten merkantilen Banalisierung des Lebens identifizierte, muß nicht Wunder nehmen, nachdem wir über die Judengegnerschaft angelsäsischer Intellektueller mittlerweile gut informiert sind – zuletzt am Beispiel des Nobelpreisträgers T. S. Eliot.

Dieser Band bietet zahlreiche Einblicke in die artifizielle Gegenwelt der Nobel-Bohème zwischen New York und London, die ihren letzten, von Beaton bezeugten mythischen Sommer 1939 an der Cote d’Azur verbrachte, wo John F. Kennedy und Marlene Dietrich badeten. Das Halbschattenporträt von Lady Diana Cooper in Venedig 1952 veranschaulicht dann, wie berechtigt es ist, in Beaton nicht nur den letzten Dandy des Britischen Empire, sondern auch dessen Untergangs-Chronisten zu sehen. Ein Vergleich der von Beaton aufgenommenen Mode, aber auch der Modelle aus den sechziger Jahren mit den für die Vogue produzierten Kunstwerken aus den Dreißigern (bei denen er nicht einmal auf die atemberaubende Lisa Fonssagrives zurückgriff, neben der alle Claudias und Cindys unserer Zeit wie Kleiderständer wirken) demonstriert, daß das Verschwinden der Schönheit nichts mit dem Bolschewismus zu tun haben muß.

 

Cecil Beaton: Photographien 1920–1970, Schirmer/Mosel, München, 320 Seiten, 265 Abb., 78 Mark


 
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