© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
"Jetzt erst recht!"
Die unter Druck geratene NPD gibt sich handzahm und kämpferisch
Moritz Schwarz

Auf die Forderung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein, aus Anlaß der jüngsten Welle ausländerfeindlicher Gewalt in Deutschland die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten, hat deren Parteivorstand in einer Eilsitzung vergangene Woche mit einem Maßnahmenkatalog reagiert. Im Zuge dessen veröffentlichte die Partei zwei Grundsatzerklärungen, in welchen sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und zur Frage der Gewalt erklärt. Die NPD, so heißt es, "bekennt sich ausdrücklich" zu den Prinzipien des Grundgesetzes, als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens "der Menschen auf dem Territorium der Bundesrepublik". Allerdings erinnert die Schlußpassage des Textes daran, das Grundgesetz stehe unter dem Vorbehalt "nur ein Provisorium bis zu jenem Tag zu sein, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist".

Das zweite Papier weist darauf hin, daß die NPD seit ihrer Gründung 1964 Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele stets strikt abgelehnt habe und ruft, auch "in Verantwortung gegenüber Millionen von Fremden, die ... nach Deutschland kamen, (um) persönliche oder soziale Sicherheit ihrer Familien zu finden", Mitglieder und Anhänger zur Gewaltlosigkeit auf.

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT verwies Pressesprecher Klaus Beier vor allem auf die bundesweit gestartete Parteikampagne "Argumente statt Verbote" und die überparteiliche Kampagne des ehemaligen RAF-Terroristen Horst Mahler "Ja zu Deutschland – Ja zur NPD", mit welchen die Partei der gegenwärtigen Stimmung in der Öffentlichkeit entgegentreten will. Mahler ist allerdings inzwischen der NPD beigetreten. Mitglieder, die Gewalt verüben, wolle man konsequent aus der Partei entfernen.

Gegen die Frage nach der bisher stets wie selbstverständlich akzeptierten aggressiven und verfassungsfeindlichen Grundstimmung in weiten Teilen der Partei verwahrte sich Beier. Statt dessen beklagte er das völlig undifferenzierte gegenwärtige Kesseltreiben gegen die NPD, etwa wenn vom "Auschwitz-Komitee", Gewerkschaften und Kirchen gegen die "Fratzen der Glatzen" demonstriert werde. Die gegenwärtigen Forderungen nach Schnellgerichten und Berufsverboten seien eine "Vorstufe zu noch größerern Einschnitten in die Meinungsfreiheit". Weil sie dies wüßten, falle auch Teilen der Sozialdemokraten, Grünen und PDS ein schnelles NPD-Verbot so schwer.

Parteichef Udo Voigt gab allerdings gegenüber der JUNGEN FREIHEIT auf die Frage, ob für den Fall der Fälle ein "B-Plan" in der Schublade liege, zu: "Wer hat so etwas nicht." Die Idee einem Verbot durch Selbstauflösung zuvorzukommen, sei mittlerweile vom Tisch, so Voigt, ein entsprechender Antrag wurde auf der Eilsitzung klar abgelehnt. Bei der nächsten ordentlichen Vorstandssitzung Mitte September soll über einen Sonderparteitag beraten werden, der aber aus der Sicht Voigts nicht nötig sein wird.

Einstweilen geben sich ausländischen Medienvertreter in der NPD-Parteizentrale die Klinke in die Hand. Voigt nannte als Beispiel die New York Times, die Washington Post, das französische sowie das italienische Staatsfernsehen.

Auch wenn er die Situation durchaus als "ernst" bezeichnet, so glaubt Voigt dennoch nicht an ein Verbot. Vielmehr setzte er auf die Welle "überraschender Zuwendung" zahlreicher Bürger, die die Partei in den letzten Wochen erfahren habe – und spricht von sieben- bis achttausend Solidaritätsbekundungen allein auf der NPD-Homepage – sowie auf die innerparteiliche "Jetzt erst recht!"-Stimmung.

Wegen "willkürlicher Diffamierung und Hetze" klagt die Partei inzwischen gegen Bayerns Innenminister Beckstein auf Unterlassung, hat aber darüber hinaus, aus "Angst vor gezieltem Auftreten eingeschleuster Agenten und Provokateure", alle größeren Demonstrationen und Veranstaltungen vorläufig abgesagt. Statt dessen sollen die genannten Kampagnen von "klar steuerbaren" Aktionen, wie Mahnwachen und Flugblattverteilung, getragen werden. Unterdessen hat erstmals ein Kreditinstitut, die Deutsche Bank Lübeck, der NPD ein Konto gekündigt, um wie ein Sprecher sagte, ein "demokratisches Zeichen zu setzen". Der Präsident des sächsichen Verfassungsschutzes, Reinhard Boos, beurteilte den Schritt durchaus als ernsthafte Maßnahme: "Ein Unternehmen würde da nach meiner Einschätzung am nächsten Tag pleite sein."


 
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