© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Kolumne
Agitprop
von Klaus Motschmann

Die zur Zeit laufende "Kampagne gegen Rechts" hat inzwischen einige aufschlußreiche Erkenntnisse vermittelt, deren Tragweite allerdings kaum wahrgenommen wird. Dazu gehört vor allem ein Argument gegen ein Parteienverbot, zunächst der NPD. Es resultiert aus den Zweifeln, ob die seit über dreißig Jahren von den Hütern der Verfassung gesammelten Beweismaterialien für ein Verbotsurteil auch ausreichen würden. Die Ablehnung hätte sonst eine "katastrophale" Wirkung, weil sie als Persilschein für die NPD verstanden werden müßte.

Die Verfechter dieser Argumentation halten es also für möglich, daß das Bundesverfassungsgericht nach einem langen Prozeß ein Urteil fällen könnte, das den Bestand der demokratischen Grundordnung durch die Erteilung von Persilscheinen an faschistische Parteien gefährden könnte. Flankiert wird diese Einschätzung durch die Forderung namhafter Politiker, "die Justiz in die Pflicht zu nehmen". In welche Pflicht? Vor allem aber: Wer nimmt die Justiz in die Pflicht? Die Regierung? Die sogenannte öffentliche Meinung? Die Parteien? Wichtige Fragen, die aber kaum gestellt werden.

Man mag es ideologisch drehen und politisch wenden, wie man will: Man kommt nicht um die Feststellung herum, daß auf diese Weise die zentrale These aller Antifaschisten vom "latenten Faschismus" der sogenannten bürgerlichen Gesellschaft aktualisiert und damit bestätigt wird.

Deshalb also keine rechtliche Auseinandersetzung um ein Parteienverbot auf dem vom Grundgesetz gewiesenen Weg (Art. 21,2), sondern weiterhin sogenannte putative Aktionen von Angehörigen aller gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen, das heißt so, als ob die Rechtsparteien bereits verboten seien und ihre Anhänger Mitglieder krimineller Vereinigungen. Man denke nur an die massiven Beeinträchtigungen politischer Grundrechte für die "Rechten", an die offenen Aufrufe zur gesellschaftlichen Ächtung, an die Androhung von Repressalien und nicht zu vergessen den jakobinischen Tonfall führender Agitatoren. Die Akteure der gegenwärtigen Kampagne haben allerdings übersehen, daß der weit überwiegende Teil des Volkes in den neuen Ländern gegen diese Agitprop-Methode dauerhaft immunisiert ist und zu Recht eine an der Wirklichkeit orientierte Auseinandersetzung erwartet. Die Schwierigkeiten sind bekannt; auch sie gehören zur deutschen Wirklichkeit. Dennoch sollte diese Forderung immer wieder erhoben werden.Auch hier: Gesicht zeigen!

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste in Berlin.


 
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