© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Von der Sodafabrik zum Weltkonzern
Chemieindustrie: Neue Wachstumschancen für die BASF in Mitteldeutschland / 30 Prozent ausländische Führungskräfte
Rüdiger Ruhnau

Nachdem das Traditionsunter nehmen Hoechst AG vom Markt verschwunden ist, der Bayer-Konzern sich immer mehr zum pharmazeutischen Unternehmen wandelt, nimmt jetzt der Ludwigshafener Chemieriese BASF mit seinem 1999 erreichten Umsatz von 57,5 Milliarden Mark die Spitzenposition im deutschen Chemiegeschäft ein.

Dabei ist besonders erfreulich, daß die mitteldeutsche Tochtergesellschaft des BASF-Konzerns in Schwarzheide einen Rekordgewinn erzielen konnte. Das vor zehn Jahren übernommene "volkseigene" Synthesewerk Schwarzheide, zwischen Cottbus und Dresden gelegen, wurde mit enormem Aufwand restrukturiert und modernisiert. Man hoffte damals, daß der Kunststoff Polyurethan, ein Hauptprodukt der Anlage, weiterhin in die osteuropäischen Staaten geliefert werden könnte. Dem war leider nicht so. Die Ostmärkte brachen zusammen, in Schwarzheide standen 5.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

In dieser kritischen Situation räumte der BASF-Vorstand dem brandenburgischen Tochterunternehmen eine Vorzugsbehandlung ein. Mit einem Investitionsprogramm in Höhe von bis heute 1,8 Milliarden Mark konnten 2.300 Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. Geschickt verstand man es, 35Prozent der Investitionssumme aus öffentlichen Beihilfen lockerzumachen, damit neue Anlagen für Lacke, Kunststoffe und Pflanzenschutzmittel erstellt werden konnten. Trotzdem ist noch ein Drittel der 90 Hektar umfassenden Betriebsfläche für Investitionsvorhaben frei. Schwarzheide ist heute das zweitgrößte Chemieunternehmen in Mitteldeutschland und hat seit vier Jahren die Gewinnschwelle erreicht.

Weniger erfreulich gestaltet sich die Pharmasparte des Ludwigshafener Konzerns. Der "Pillendreheranteil" – der ohnehin nur Zweiundzwanzigster in der globalen Rangfolge ist – machte knapp 20 Prozent vom Konzernumsatz aus. Analysten meinen seit längerem, daß sich die BASF vom Pharmageschäft abkoppeln will. Neue Nahrung erhielten diese Vermutungen infolge der kartellrechtlichen Verstöße im Vitamingeschäft, die zu hohen Sonderbelastungen für den Konzern führten. Außerdem mußte die BASF-Pharmatochter Knoll die klinische Prüfung eines Schlaganfall-Mittels abbrechen. Das aus Schlangengift gewonnene Präparat sollte Patienten nach einem Schlaganfall helfen können. Bisher ist es noch keinem Pharmaproduzenten gelungen, eine geeignete Substanz auf den Markt zu bringen. Die BASF mußte nach fünf teuren Forschungsjahren die Wertlosigkeit, schlimmer noch, die Gefährlichkeit des Wirkstoffs aus dem Schlangengift erkennen.

Weniger bekannt dürfte es sein, daß die "Badische Anilin & Sodafabrik" auch auf dem Erdöl- und Erdgasgebiet stark engagiert ist. Dieser Unternehmensbereich wird von der BASF-Tochter Wintershall wahrgenommen. Die gesamte Produktion der beiden fossilen Energieträger betrug 1999 10,7 Millionen Tonnen Erdöläquivalente. Neben der eigenen Förderung von Kohlenwasserstoffprodukten in Libyen, Argentinien und in Deutschland ist Wintershall auch langjähriger Joint Venture-Partner von Gazprom, dem weltweit größten russischen Erdgasproduzenten. Über eine 4.000 Kilometer lange Rohrleitung wird Erdgas aus Sibirien nach Deutschland geliefert und über ein weit verzweigtes Leitungssystem (Wingas-Netz) zum Verbraucher gebracht. Pro Jahr sind es rund 35 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Demgegenüber muten die 600 Millionen Kubikmeter an gefördertem Erdgas aus dem ersten deutschen Offshore-Gasfeld in der Nordsee winzig an.

Mit der Einführung der BASF-Aktie an dem New York Stock Exchange hat die globale Ausrichtung des Chemiekonzerns weiter zugenommen. Etwa 45 Prozent aller Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands beschäftigt, wobei hervorgehoben wird, daß rund 30 Prozent der BASF-Führungskräfte keine Deutschen sind. Vor kurzem kündigte der Vorstand an, daß infolge der Restrukturierung das Management des Pharmabereichs nach London umsiedeln soll. Verständlicherweise dient das nicht gerade der Beruhigung der deutschen Chemiker, zumal die Konzernspitze plant, am Stammsitz Ludwigshafen bis zum Jahre 2003 von 42.000 Arbeitsplätzen 5.000 abzubauen.

Noch ein Wort zu den Produktionsstandorten in Nordamerika und im asiatischen Raum. In der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) machte die BASF mit 6,8 Milliarden Euro den (nach Deutschland) zweitgrößten Umsatz des Konzerns und ist damit das drittgrößte Chemieunternehmen in den USA. Im texanischen Port Arthur, an der US-Golfküste, wird zur Zeit der weltgrößte Cracker gebaut, das ist eine Erdölspaltanlage zur Erzeugung von Ethen und Propen, Vorprodukte für Kunststoffe. Die BASF geht davon aus, daß mittel- und langfristig Asien der größte Chemiemarkt der Welt sein wird. Demzufolge plant man in China und Malaysia riesige Chemiekomplexe zu errichten. Beim kürzlichen Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Berlin wurde das Abkommen über den Bau einer integrierten chemischen Großanlage bei Nanking unterzeichnet. Für das deutsch-chinesische Projekt ist ein Investitionsvolumen von etwa 6 Milliarden Mark vorgesehen, es wird zur Hälfte von der BASF finanziert.

Gegenwärtig betreibt die BASF in 40 Ländern Produktionsstätten. Von den rund 8.000 Verkaufsprodukten sind einige zum Inbegriff ganzer Produktklassen geworden, etwa das Kälteschutzmittel Glysantin oder der ultraleichte Dämmstoff Styropor, von dem die BASF bis heute über 10 Millionen Tonnen produziert hat. Der Konzern ist auch weltweit zweitgrößter Hersteller von Vitaminen. Bei allen Produkten spielt die Leitidee des Verbundes eine herausragende Rolle, aus wenigen Rohstoffen werden einige Dutzend Grundprodukte hergestellt, daraus mehrere hundert Zwischenprodukte, aus denen wiederum in verzweigten Wertschöpfungsketten die unterschiedlichen Verkaufsprodukte entstehen. Energie, Abwärme und Reststoffe führt man im Rahmen des Verbundes so vollständig wie möglich in den Produktionskreislauf zurück. So ist es möglich, daß in Ludwigshafen pro Tonne Produkt nur 2,9 Kilogramm Abfall anfallen.

Die Ökoeffizienz-Analyse betrachtet den ganzen Lebensweg eines Produktes, beginnend mit der Entnahme der Rohstoffe bis zur Verwertung oder Entsorgung nach dem Gebrauch. Ein "ökologischer Fingerabdruck" läßt dabei die Umweltwirkung eines Produktes nach fünf Kriterien erkennen: Ressourcenverbrauch, Energieverbrauch, Emissionen in Luft Wasser und Boden, Toxizitätspotential und Mißbrauchspotential. In der BASF ist man überzeugt, daß die Märkte der Zukunft ein Unternehmen danach beurteilen werden, wie es die ökologischen Komponenten seiner Produkte und Verfahren berücksichtigt hat.


 
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