© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/00 25. August 2000

 
Kockas mißglückte Weserübung
Wie auf dem Internationalen Historikertag in Oslo eine deutsche PC-Offensive scheiterte
Lothar Höbelt

Alle möglichen und unmöglichen Dummheiten werden in deutschen Landen gern mit dem Argument gerechtfertigt, das Image des Standorts im befreundeten Ausland erfordere es einfach, auf sie einzugehen; selber, so hört man oft im vertraulichen Zwiegespräch, halte man das – rein meritorisch – natürlich auch alles für lächerlich, aber die böse Welt sei nun einmal so. Wer in ihr vorankommen wolle (und das zu tun sei doch auch im nationalen Interesse gelegen, nicht wahr?) müsse sich eben danach richten.

Um so erfreulicher, daß es immer wieder Beispiele gibt, die derlei Raisonnements in den Bereich der wahrhaft "ausländerfeindlichen" Verdächtigungen verweisen: Die Welt ist mitnichten so dumm, wie uns manche gern einreden wollen, die einfach nur zuviel gleichgesinnte Medienprodukte konsumieren. Als ein gelungenes Beispiel dafür mag eine Episode dienen, die sich auf dem Internationalen Historikertag in Oslo vom 6. bis 13. August abgespielt hat.

Zum Präsidenten des veranstaltenden internationalen Komitees (CISH) für die nächsten fünf Jahre wurde diesmal nämlich ein Deutscher gewählt, der noch dazu ganz stilecht seinen Umzug nach Berlin vorbereitet: Professor Jürgen Kocka. Der frischgekürte Vorsitzende bzw. seine Anhänger waren um ein entsprechendes Entree auch nicht verlegen. Einige Volksgenossen Kockas legten unverzüglich eine Stellungnahme vor, die auf dem Rücktritt des Direktors des Münchners Instituts für Zeitgeschichte beharrte, weil er es gewagt hatte, zur Preisverleihung für Ernst Nolte auszurücken. (Es spricht für die quellenkritische Akribie der Unterzeichner, daß einer der Befürworter Nolte gleich als "Holocaust-Leugner" bezeichnen zu müssen glaubte !) Eine auslandsdeutsche Kollegin legte gleich noch eine – von Kocka wärmstens befürwortete – Resolution nach, welche der Besorgnis des internationalen Komitees über die Auswirkungen der in Deutschland zu beobachtenden Fremdenfeindlichkeit beredte Stimme verleihen sollte.

Woraufhin der abtretende Generalsekretär des Komitees, der Franzose Bedarida, sich aufraffte und die teutonischen Schmalspurpolitiker in die Schranken verwies: Derlei politische Kampagnen hätten hier nichts verloren, was schon daraus hervorgehe, daß die dieselben Herrschaften zu noch weit ärgeren Vorkommnissen (zum Beispiel dem Genozid in Ruanda) geschwiegen hätten. Ein Engländer ergänzte, das Komitee habe sich immer dann engagiert, wenn die Arbeitsbedingungen von Historikern und ihre akademische Freiheit eingeschränkt würden. Von Nolte ginge eine solche Gefahr wohl nicht aus, viel eher noch drohe sie ihm. Die darauffolgende Abstimmung in der Generalversammlung, die Vertreter aller nationalen Komitees und angeschlossenen Vereinigungen umfaßt, endete mit einer Blamage für die deutschen PC-Adepten: Die Resolution ging mit 11 gegen 35 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) unter. Die Welt wird zwar vielfach, wie der schwedische Reichskanzler Oxenstierna vermerkte, mit sehr viel Unverstand regiert. Aber sie ist gar nicht so unvernünftig. Zuweilen gilt das sogar für ihre Chronisten.

Für Österreicher interessant: Der große Empfang für die Teilnehmer des Historikertags fand im Rathaus von Oslo statt. Gastgeber war der Bürgermeister, Historiker und Absolvent einer amerikanischen Eliteuniversität, seiner Parteizugehörigkeit nach Konservativer, der die norwegische Hauptstadt in Koalition mit der Fortschrittspartei Carl Hagens regiert, dem Pendant zu Jörg Haiders Freiheitlichen. Seine humorvolle und in blendendem Englisch gehaltene Ansprache begann mit seinen Kindheitserinnerungen an den Zweiten Weltkrieg in Skandinavien, nämlich seiner Begeisterung für den Widerstand der Finnen gegen die Sowjetunion.


 
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