© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/00 01. September 2000

 
PRO&CONTRA
Brauchen wir eine Geburtenförderung?
Michael Herbricht / Kurek Bende

Wer in Deutschland seine Stimme erhebt, um einer "Bevölkerungspolitik" oder gar einer "Geburtenförderung" das Wort zu reden, der muß damit rechnen, sehr schnell, aber zu Unrecht mit der Politik der Nationalsozialisten konfrontiert zu werden. Der liberale Rechtsstaat in Deutschland kennt keine Bevölkerungspolitik. Die Entscheidung für oder gegen Kinder ist kein staatliches Interesse, sondern eine Individuelle Entscheidung der Paare oder emanzipierter Frauen. Was aber, wenn nicht mehr genügend Kinder nachgeboren werden?

Deutschland hat seit den achtziger Jahren eine der geringsten Geburtenraten der Welt. Schon heute übersteigt die Zahl der Todesfälle die jährliche Geburtenrate einschließlich der hier von Ausländern geborenen Kindern deutlich. Allein durch die natürliche Sterbeentwicklung schrumpft die deutsche Bevölkerung nach etwa sieben Jahren um eine Million Menschen. Auch eine anhaltende Einwanderung von jährlich mehreren hunderttausend Personen wird den Bevölkerungsrückgang nicht ausgleichen. Dabei ist nicht eingerechnet, daß jedes Jahr etwa 120.000 Deutsche auswandern. Die Konsequenzen dieses schnellen Wandels werden schon sehr bald deutlich zu spüren sein. Der proportionale Anteil an Ausländern wird sich drastisch erhöhen, es wird immer mehr Alte geben, während die Zahl junger Menschen dramatisch sinken wird. Damit aber fehlt in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zunehmend der ausgebildete Nachwuchs, das Innovationspotential aller Nationen.

Ob unser Sozialstaat diesem Wandel standhalten wird, muß sich zeigen. Eine höhere Geburtenrate allein ist kein Mittel zur Lösung der Zukunftsprobleme. Aber sie kann dazu beitragen, die negativen Auswirkungen abzufedern. Wir brauchen in Deutschland dringend eine familienfreundliche Bevölkerungspolitik.

 

Michael Herbricht, MdL, ist familienpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Republikaner in Baden-Württemberg

 

 

Es gibt Stimmen, die sagen, es gäbe genug Kinder auf der Welt und man könnte deren Not beispielsweise durch Adoption lindern. Ist die Aufnahme dieser kranken, vernachlässigten und hilfebedürftigen Kinder wirklich gesellschaftlich erwünscht? Werden Menschen ausreichend darauf vorbereitet, diesen Kindern nicht nur materiell zu helfen? Sind sie als "Fremde", wenn aus diesen Kindern Erwachsene geworden sind, immer noch willkommen? Ungewollt kinderlose Paare und sozial denkende und handelnde Menschen sehen ihre Möglichkeiten, einem in Not geratenen Kind sehr individuell zu helfen. Aber werden sie auch von ihren Mitmenschen akzeptiert, werden ihre Kinder als "ihre Kinder" angesehen? Wo sind die staatlich geförderten Stellen, die eine Einreise in unser Land weniger beschwerlich ermöglichen?

Und wer denkt an die Kinder, wenn sie erwachsen geworden sind? Haben sie Eltern, die ihnen ihre fremde Kultur nahe gebracht haben? Konnten sie lernen, ihr Herkunftsland zu lieben? Wurden sie darauf vorbereitet, sich in ihrem Herkunftsland mit möglicherweise dort lebenden Familienangehörigen auseinander zu setzen? Durften sie "beides" sein – Deutsche und Ausländer? Was denken diese Heranwachsenden, wenn sie erleben, daß Ausländer zu Tode geprügelt werden? Bevor an Geburtenförderung gedacht wird, sollte das Aufwachsen der vorhandenen Kinder auf eine solide Basis gestellt werden. 50.000 Kinder und Jugendliche leben in Pflegefamilien und 80.000 im Heim. Bis diese Kinder an einen behüteten Platz kamen, wurden sie oft vernachlässigt, mißhandelt, mißbraucht, erlebten Trennungen, Beziehungswechsel, Gewalt oder wurden krank. Noch mehr Kinder könnten in Familien aufwachsen, wenn Pflege-eltern die notwendige Unterstützung bekämen.

Wir brauchen aktiven Kinderschutz! Wir brauchen mutige Erwachsene, die nicht wegsehen, wenn Kinder leiden!

 

Ines Kurek Bender ist Vorsitzende des Bundesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien (PFAD) in Frankfurt/Main.


 
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