© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/00 08. September 2000

 
WIRTSCHAFT
Weicher Euro und EZB-Weicheier
Bernd-Thomas Ramb

Wie ein Schlag ins Gesicht muß das Absinken der Weichwährung Euro auf ein neues Allzeittief auf die Europäische Zentralbank gewirkt haben: Unmittelbar zuvor hatte sie zum sechsten Mal in diesem Jahr den Leitzins zur Euro-Stützung angehoben. 20 Monate nach Einführung der Zwangswährung – der überwiegende Teil der Deutschen lehnt den Euro weiterhin kategorisch ab – sieht die Bilanz verheerend aus. Der Euro verlor gegenüber dem Dollar mehr als 25 Prozent seines Wertes. Das deutsche Wirtschaftswachstum ist nicht nur weit von den amerikanischen Raten entfernt, sondern hat auch Mühe, die schmalen Erwartungen von 2,5 Prozent zu erreichen. Das letzte vermeintliche Plus des Euro, die bislang niedrige Inflationsrate, die jedoch kaum ein Verdienst der Gemeinschaftswährung war, droht zunehmend zu schwinden. Der hohe Ölpreis, die steigende Ökosteuer und die geringfügig gestiegene Produktion bewirken den Sprung über die von der EZB gesetzte Toleranzgrenze von zwei Prozent.

Das Ausmaß der Zinserhöhung war bereits vorher aus allen Richtungen kritisiert worden. Die konsequenten Inflationsgegner verlangten einen Erhöhungsschritt von 0,5 Prozent, die Wachstumsfetischisten forderten ein Einfrieren der Leitzinsen. Die EZB wählte die scheinbar goldene Mitte. Sie hat sich damit zum währungspolitischem Weichei des Jahres qualifiziert. Der gewählte Zinsschritt führt weder zu niedrigerer Inflation noch zu höherem Wachstum. Solange aber beide Ziele nicht erreicht sind, gerät die EZB in den Zwang der Wiederholung. Die nächste fruchtlose Zinserhöhung steht also bevor. Die Politiker können sich freuen, spielt doch die EZB mit der Weichei-Rolle den geeigneten Sündenbock für die Versäumnisse der Politik, für die sie allein verantwortlich sind.


 
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