© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/00 08. September 2000

 
UMWELT
Wo bleibt Außenminister Fischer?
Holger Nutzinger

Alles schon vergessen? Grüne Politiker und ihr Fußvolk (damals hatten sie noch welches) demonstrieren gegen Kernkraftwerke, vor allem gegen den Transport von radioaktivem Brennmaterial. Hatten Fischer und Konsorten nicht sogar nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, bei dem ein Atomkraftwerk billigster sowjetischer Bauart in die Luft geflogen war, als Ausgleich die Abschaltung der technologisch hochentwickelten und als besonders sicher geltenden deutschen AKWs gefordert?

Im Falle des tschechischen AKWs Temelín, das in Kürze seinen Betrieb aufnehmen soll, ohne daß elementare Sicherheitsbedenken ausgeräumt sind, schweigt der deutsche Außenminister beharrlich. Während sich die Österreicher mit überparteilichen Massendemonstrationen gegen das grenznahe Atomkraftwerk in Südböhmen zur Wehr setzen und die Umweltorganisation Greenpeace die tschechische Regierung verdächtigt, Sicherheitsüberprüfungen manipuliert zu haben, pressen nur ein paar deutsche Grüne ihre Bedenken nahezu lautlos zwischen den Lippen hervor.

Die Untätigkeit des grünen Außenministers gibt Anlaß zu Spekulationen. Erklärbar wird sie, wie sämtliche seiner jüngsten, den grünen Prinzipien widersprechenden Verhaltensweisen, aus seiner Maxime "Tue das, was dir nützt, und unterlasse das, was dir schadet!" Ein Eintreten für die – auch Deutschland betreffende – Sicherheit des tschechischen AKWs könnte ja als Freundlichkeit gegenüber der österreichischen Regierung ausgelegt werden. Die Verzweiflungsdrohung der Österreicher, den Anschluß Tschechiens an die EU zu blockieren, kommt Fischer dagegen recht. So kann er wieder einmal auf die bösen Österreicher hinweisen und sich das Lob der anderen Außenminister sichern.


 
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