© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000


Der Euro als Tagesereignis
von Bernd-Thomas Ramb

Des Kanzlers flapsige Kommentare zum neuesten Werteverfall des Euro sollten keinesfalls als bloß unbedarft wie unüberlegt aus dem Munde gefallene Worte belächelt werden. Den jüngsten Absturz der europäischen Zwangswährung als eines von vielen unbedeutenden Tagesereignissen zu qualifizieren, bedeutet weniger eine Ignoranz der Tatsache, daß dieses Tagesereignis seit mehr als 620 Tagen anhält, als vielmehr eine Verlagerung der Wahrnehmungsebene. Die Tatsache, daß der Euro fällt, wird nicht länger registriert – das wird schon als selbstverständlich hingenommen. Im Blickpunkt steht nunmehr die Fallgeschwindigkeit. Das schockartige Absacken des Euro ist allerdings schon ein ungewöhnliches Tagesereignis, auch wenn es den Kanzler nicht weiter rührt. Sicher aber wird demnächst bereits eine Verlangsamung des Euroverfalls als Erfolg dieser Witzwährung propagiert.

Die Freude Schröders über die dank Billigeuro verbesserten Exportbedingungen der Euroländer darf ebenfalls nicht allein seiner volkswirtschaftlichen Einfalt zugesprochen werden. Dahinter verbirgt sich nackte Angst um das schmalbrüstige Wirtschaftswachstum, das nicht nur wegen der höheren Energiepreise zunehmend ins Stocken gerät. Alan Greenspan, der amerikanische Notenbankchef, hatte es vor Jahren prophezeit: Der Euro wird kommen, er wird aber auch wieder verschwinden. Mit der neuen Fallgeschwindigkeit hat der Euro nicht nur sein Aufwertungspotential deutlich verbessert, sondern auch die Chance auf ein rasches Ende dieser erbärmlichen Währungsfarce.


 
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