© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
Das letzte Aufgebot
Parteien: NPD versucht Verbot mit eigenen Initiativen zu verhindern / Horst Mahler richtet sich mit einem Appell an die "Bürger des Deutschen Reiches"
Steffen Königer

Sonnenschein und keine Wolke am Himmel, ein schöner Spätsommertag also. Vor einem Haus in Berlin-Köpenick stehen unzählige Fernsehstationen mit ihren Fahrzeugen. Hier muß es sein, aber irgendwie nimmt sich das dreistöckige Gebäude wie ein besetztes Haus aus – so bunt von lauter Farbschmierereien. Daß es sich hierbei um die NPD-Bundeszentrale handelt, konnte man jedoch den zahlreichen Plakaten an der Häuserfront entnehmen. "Das sind die ’Argumente‘ unserer Gegner" prangte es in großen Lettern unter dem Giebel.

Etwas zu spät, doch die Pressekonferenz zu Horst Mahlers Initiative "Ja zu Deutschland – ja zur NPD" hatte im Hinterhof der Bundeszentrale unter einem Vordach gerade erst begonnen. Da sitzen drei ältere Herren, umgeben von ungefähr sechzig Medienvertretern, Kameras und Mikrophonen. Selbst ein japanisches Fernsehteam legt sein Augenmerk auf eine Partei, die bei jeder Wahl um die Eins vor dem Komma kämpft. Mahler (62) ist an diesem Rummel nicht unbeteiligt, ein Ex-Terrorist der Linken bei den Rechten, das ist ein gefundenes Fressen. Er begrüßt die Herren des Verfassungsschutzes, die die Pressekonferenz im dienstlichen Auftrag verfolgen, wie er es Presseberichten zufolge schon während der Studentenproteste 1968 getan haben soll.

Franz Schönhuber (77) ergreift als erster das Wort, er protestiert zwar gegen ein Verbot der NPD, doch soll sein Name überraschenderweise nicht mehr unter dem Aufruf stehen. Schönhuber wurde auf einer verteilten Erklärung Mahlers als erster genannt. Der Mitbegründer der Republikaner stelle sich vor die NPD, genauso wie er sich, nach eigenem Bekunden, auch vor die PDS stellen würde. Schließlich sei er seinerzeit auch gegen den Radikalenerlaß gewesen, denn Parteien könnten nur von Parteien im Parlament bekämpft werden, nicht von Gerichten, so Schönhuber.

Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt (48) erklärt, die anlaufende Kampagne seiner Partei würde bis zum Jahresende hunderttausend Unterschriften bringen; bis heute seien 744 Eintritte in die Partei zu verzeichnen. Auf die Frage, ob denn die NPD schon neue Konten eingerichtet hat, eines wurde ihr ja sogar in der Schweiz gekündigt, antwortet er, daß sich die Rechtsanwälte der Partei schon damit beschäftigten, um die erfolgte Kündigung wieder rückgängig zu machen. An dieser Stelle ergreift Schönhuber erneut das Wort und merkt an, daß die Banken am allerwenigsten das Recht hätten, insbesondere wegen ihres Verhaltens zwischen 1933 und 1945, jetzt eine Partei in dieser Weise zu behandeln.

Udo Voigt weiß dann noch zu berichten, daß weltweit Sympathisanten der Partei vor deutschen Botschaften gegen ein Verbot der NPD demonstrierten und daß zu den Olympischen Spielen in Sydney Sympathisanten der Partei Protestaktionen planen würden.

Horst Mahler schließlich richtet sich mit einem Appell an die "Bürger des Deutschen Reiches". Darin wirft er die Frage auf, inwieweit die USA als allein übriggebliebene Weltmacht für die Entwicklung in Europa verantwortlich zeichnen. Es geht im Kern um Ausführungen, um die Frage, wie und mit welchen Methoden die herrschende politische Klasse gegen alles, was deutsch denkt und handelt, mobil macht. Mahler spricht von einer systematischen Umprogrammierung aller Deutschen,für die es fortan als unanständig gelten soll, den Verlust des Heimatgefühls zu beklagen.

Weiterhin macht er die USA dafür verantwortlich, daß nicht nur nach Deutschland, sondern nach Gesamt-europa 70 bis 100 Millionen Menschen "verpflanzt" werden, um so die europäischen Nationen von innen her aufzulösen. Sein Fazit gleicht trotz der nationalen Züge sehr den "antiimperialistischen" Kampagnen, welche er mit der APO schon in den Sechzigern veranstaltete. Aber nun sind seine ehemaligen Kampfgenossen selbst der Macht erlegen oder vielmehr zu "Vasallen" der USA verkommen, deswegen hat er neue "Kameraden" gefunden, mit denen es gilt, den "Kontinent des weißen Mannes" zu verteidigen.

Mahler plädiert für ein "Deutsches Reich in den Grenzen von 1937", da diese die völkerrechtlich bindenden Grenzen seien. Dazu hat sich Mahler, der sich selbst zum "Geschäftsführer ohne Auftrag für das Deutsche Reich" ernannt hat, auch gleich eine passende Fahne entwickelt. Mit ihrem Balkenkreuz erinnert sie an die norwegische Fahne , ist im Gegensatz zu den schwarz-weiß-roten Emblemen der NPD aber schwarz-rot-gold.

Der einstige Marxismus-Leninismus-Dozent Michael Nier und der APO-Aktivist Reinhold Oberlercher treten hinter den ersten dreien merklich zurück. Oberlercher weiß nur von in Europa absichtlich angezettelten Rassenkriegen zu berichten.

Als dann angekündigt wird, daß im Anschluß an die Pressekonferenz Horst Mahlers eine weitere von der NPD stattfinden wird, aber ohne Schönhuber und Mahler, leert sich der Hof der Parteizentrale merklich.


 
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