© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
UMWELT
Kampfhunde und Neonazis
Holger Nutzinger

Kampfhunde und Neonazis haben vieles gemeinsam. Weniger sei dabei an die Aggressivität gedacht, obwohl diese als erstes ins Auge fällt. Das wilde Keifen, die Angriffsbereitschaft und selbst physiognomische Parallelen sind unübersehbar. Mit der Vergleichbarkeit des äußeren Scheins geht auch eine politische Gleichbehandlung beider Phänomene einher. Beides ist gekennzeichnet durch eine geringe Bereitschaft zur Differenzierung. Von der meinungsmachenden oder ihr folgenden politischen Öffentlichkeit wird jeder, der neonationalsozialistischen Irrtümern folgt, als – nicht nur potentiell er– Gewalttätiger eingestuft. Wie umgekehrt jeder Gewalttätige als Neonazi identifiziert wird. Das geht bald so weit, daß jeder politisch Andersdenkende von politisch korrekten Mainstream-Politikern als Neonazi eingestuft wird.

Bei der politischen Behandlung des Problems der Kampfhunde zeichnet sich eine ähnliche Vorgehensweise ab. Jeder Hund, der beißt, ist ein Kampfhund, und jeder Kampfhund beißt. Dabei wird die Liste der Hunderassen beliebig ausgeweitet. Bald muß jeder Besitzer eines Hundes, der eine gewisse Größe überschreitet, darauf gefaßt sein, als Halter eines Kampfhundes eingestuft zu werden. Die Hysterien gleichen sich in Form und Ausmaß an. Immer weniger wird genau hingeschaut, sondern nur noch selektiert: Große böse Hunde nach rechts, kleine liebe Hunde nach links. Weitere Boxen gibt es nicht. Dabei lassen sich auch kleine Hunde zu beißenden Kampfmaschinen erziehen, während große lammfromm die ärgsten Quälereien ertragen. Für Politiker und Medienmacher ist die genaue Sicht der Dinge wohl uninteressant, vielleicht weil sie eine längere Darstellung als eine 30-Sekunden-Fernsehmeldung erfordert.


 
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