© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/00 15. September 2000

 
CD: Pop
Vieldeutig
Holger Stürenburg

"Könnten Bienen fliegen – Das Beste von Foyer des Arts" lautet der Titel einer Sammlung von Kabinettstückchen des Berliner Musikprojektes Foyer des Arts, die kürzlich bei FünfUndVierzig/Indigo erschienen ist. Foyer des Arts bestanden aus dem introvertierten und öffentlichkeitsscheuen Komponisten, Keyboarder und Arrangeur Gerd Pasemann und dem ständig nervösen Wortartisten und Proklamator Max Goldt, der als einziger legitimer Nachfolger von Ernst Jandl bezeichnet wurde. Goldt und Pasemann begründeten Ende der siebziger Jahre das englisch singende Projekt Aroma Plus, das nach Talking-Heads-ähnlichen Waveklängen bald zur deutschen Sprache konvertierte und sich fortan Foyer des Arts nannte. Nach einem Album auf einem Independentlabel folgte Ende 1981 ein Vertrag bei der WEA, und somit stand der Veröffentlichung des – heute vergriffenen – Debütalbums "Von Bullerbü nach Babylon" nichts im Wege. Die Singleauskoppelungen "Eine Königin mit Rädern unter dran" (als "Mischung aus E.L.O. und der Augsburger Puppenkiste" bezeichnet) und vor allem "Wissenswertes über Erlangen" landeten im Sommer sogar in den deutschen Hitlisten.

Nach dem Abebben der Neuen Deutschen Welle verloren Foyer des Arts – als eine der ganz wenigen ambitionierten und anspruchsvollen Bands dieses Genres – ihren Vertrag mit WEA, tourten kaum noch, nahmen jedoch immer wieder Lieder auf, die erst 1986 auf dem Album "Die Unfaehigkeit zu Fruehstuecken" bei einem kleineren Label erschienen. Von diesem Album, das zwar musikalisch düsterer, avantgardistischer, weniger poptauglich klingt als das Debüt, aber wortlastiger, spitzer und aufregender geraten war, befinden sich auf "Könnten Bienen fliegen" die Popdramen "Schimmliges Brot", "Gleichzeitig das kann ich nicht", "Ein Haus aus den Knochen von Cary Grant" (später umgeschrieben zu "Ein Haus aus den Knochen von Willy Brandt") und "Ein Elvis-Imitator auf dem Wege zu sich selbst". PC-Freunde und Satireverächter werden mit Foyer des Arts jedoch nichts anfangen können. Dazu bedarf es eines Textverständnisses, das nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen vermag, sondern vor allem erkennt, daß Goldts Formulierungen sehr vieldeutig daherkommen.

1988 erschien die CD "Der Kuß in der Irrtumstaverne", kompositorisch wieder etwas poporientierter, aber textlich zunehmend abgehoben. Der Titelsong des Best-of ist diesem ebenfalls längst vergriffenen Album genauso entnommen wie "Das Leben ist uninteressant" (eine Parodie auf die schnieke Langeweile des Yuppietums der späten Achtziger). Aus dem 1989 veröffentlichten Live-Doppelalbum "Was ist super?" ist eine hervorragende Livefassung des einerseits hochdramatischen, andererseits abgeklärten "Schleichwege zum Christentum" auf der Best-of-CD zu finden, die Goldts Eingeständnis, eigentlich gar kein Livemusiker zu sein, entschieden zurückweist. Aus dem letzten Album "Die Menschen" (1995) sind genau die drei Songs entnommen, die Goldt für die einzigen seines Schwanengesanges hält, die tatsächlich gut komponiert und produziert sind: "Ratschlag eines reformierten Herrn", "Neue Freunde" und "Dein Kuß war Heimatkunde". Als besonderes Schmankerl gibt es eine Studiofassung des bislang nur live auf der Tournee 1984 gespielten Fast-Liebesliedes "Zusammen" und eine bis dato unveröffentlichte Konzertversion von "Das Leben ist uninteressant. Leider fehlt die Familientrilogie, aber da hätte wohl eine Doppel- oder Dreifach-CD drin sein müssen, wenn man wirklich allen Goldt/Pasemann-Klassikern hätte gedenken wollen!

Während sich Gerd Pasemann vollständig aus dem Kulturleben zurückgezogen hat, ist Max Goldt auch heute noch viel unterwegs, singt aber kaum noch, sondern schreibt für Titanic und begibt sich mit schrägen Texten auf Reisen durch die Kulturcafés der BRD.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen