© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
PRO&CONTRA
Ökosteuer abschaffen?
Dieter Wirsich / Rüdiger Rosenthal

Die Ökosteuer wurde von der rot-grünen Bundesregierung zu einem Zeitpunkt eingeführt, als das Preisniveau bei Kraftstoffen bei 1,54 Mark je Liter Super lag. Begründung: Bei diesem Niveau könne man den Autofahrern eine Erhöhung zumuten und mit dem Geld eine Senkung der Rentenbeiträge finanzieren.

Diese Situation hat sich nun aufgrund von Faktoren wie steigenden Rohölpreisen und schwachem Euro schlagartig geändert. Inzwischen haben wir auch ohne Ökosteuer ein Rekordniveau bei den Kraftstoffpreisen erreicht. Insgesamt sind Benzin und Diesel seit Anfang 1999 um über 50 Pfennig teurer geworden.

In dieser Situation ist es nach Ansicht des ADAC höchste Zeit, daß die Bundesregierung die veränderte Lage zur Kenntnis nimmt und die Ökosteuer schleunigst aussetzt. Dies insbesondere auch unter dem Eindruck der Tatsache, daß den Autofahrern zum Jahreswechsel weitere drastische Kostensteigerungen zugemutet werden. So müssen zum 1. Januar 2001 rund 20 Millionen Autohalter zusätzlich Kraftfahrzeug-Steuererhöhungen um bis zu 60 Prozent verkraften.

Der ADAC fordert deshalb die verantwortlichen deutschen Politiker endlich zum Umdenken auf. Allein die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer belaufen sich aufgrund der gestiegenen Kraftstoffpreise auf jährlich rund fünf Milliarden Mark. Mit diesen nicht geplanten zusätzlichen Einnahmen könnte eine Aussetzung der dritten Stufe der Ökosteuer problemlos finanziert werden.

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club warnt die deutsche Bundesregierung, den Bogen nicht zu überspannen. Das Beispiel Frankreich hat gezeigt, wie schnell spontane Aktionen zu unabsehbaren Konsequenzen für die Mobilität und damit auch für die Volkswirtschaft führen können. Daran kann in Deutschland niemand ein ernsthaftes Interesse haben.

 

Dieter Wirsich ist Leiter der Pressestelle des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs e.V. (ADAC) in München.

 

 

Das Grundprinzip der Ökosteuer ist es, Energieverbrauch zu verteuern und dafür Arbeit billiger zu machen. Dieses Prinzip ist richtig und notwendig. Denn nur so entsteht der Anreiz, den Verbrauch von Primärenergie zu verringern und die Energieeffizienz durch Entwicklung neuer Technologien zu steigern. Mit der resultierenden Verringerung des Energieverbrauchs sinkt der Ausstoß von CO2. Das ist der wichtigste Beitrag zum Klimaschutz. Und der tut angesichts der dramatischen Veränderungen im Weltklima dringend not.

Auf der anderen Seite wird mit dem Finanzaufkommen aus der Ökosteuer Arbeit verbilligt, indem die Beiträge der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zur Rentenkasse gesenkt werden. Die Ökosteuer ist also keinesfalls "Abzockerei", denn was den Verbrauchern auf der einen Seite abverlangt wird, wird ihnen auf der anderen Seite durch ermäßigte Sozialversicherungsbeiträge zurückgegeben.

Gerade die langfristige Anlage und schrittweise Steigerung der Ökosteuer ermöglicht den Unternehmen, ihre Investitionen und Produktentwicklungen vorausschauend zu planen. Deshalb ist es besonders wichtig, jetzt an der Ökosteuer festzuhalten, um dieses Konzept nicht zu unterlaufen. Erst wenn der Anreiz zum Sparen groß genug ist, wird er sich in ganzer Breite auf das Verhalten der Unternehmen und Verbraucher auswirken. Dann kann sich eine vorhandene Technik wie das 3-Liter-Auto als Massenfahrzeug durchsetzen. Wenn über die Ökosteuer hinaus in fünf oder zehn Jahren die nächste Ölpreiswelle kommt, profitieren alle die, die heute vorsorgen und sich weitsichtig fürs Energiesparen entscheiden.

Der BUND fordert daher, die Ökosteuer auf keinen Fall auszusetzen, sondern diesen richtigen Ansatz auszubauen und zu verbessern. Die Ökosteuer wird bei konsequenter Umsetzung eine deutliche Lenkungswirkung erzielen und eine energiesparende und nachhaltige Wirtschaftsweise vorantreiben. Nur so besteht eine Chance, Bemühungen um wirksamen Klimaschutz langfristig zum Erfolg zu führen.

 

Rüdiger Rosenthal ist Pressesprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND).


 
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