© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Karen Jespersen
Das Ohr am Volk
von Jochen Arp

Die Mehrheit der Dänen – nationalbewußt, traditionstreu, ihr Königshaus verehrend – will sich nicht damit abfinden, daß sich durch den Zustrom von Asylanten der Charakter ihres Landes verändert. Das erste Signal für die Zuspitzung war das erfolgreiche Auftreten der Dänischen Volkspartei (DF), die eine Reduzierung des Ausländerzustroms forderte und seit der Gründung 1995 einen Zuspruch der Wähler erlebte, der die anderen Parteien erschreckte.

Schleunigst versuchte die Sozialdemokratische Partei (SP), die zusammen mit der kleinen linksliberalen Partei Venstre eine Minderheitsregierung bildet, in ihren Aussagen mindestens ebenso inländerfreundlich und zuwanderungskritisch zu sein wie die DF. Das brachte der SP den Ruf ein, daß Dänemark eine Ausländerpolitik betreibe, die kaum hinter jener der FPÖ zurücksteht. Tatsächlich sank daraufhin der Stimmenanteil der DF. Unter dem Druck der sozialdemokratischen Kommunalpolitiker, welche die ganze Last der Zuwanderung zu bewältigen haben und die wissen, wie das Volk denkt, mußte die Regierung ihren Worten Taten folgen lassen.

Das schien sich anzubahnen, als die Innenministerin Karen Jespersen, aus der linkssozialistischen Ecke der Partei stammend, vorschlug, es müsse "hart durchgegriffen werden", wer sich strafbar mache, solle in "einem speziellen Lager, in einer einsamen Gegend, zum Beispiel auf einer unbewohnten Insel" interniert werden. Weiter will die Ministerin in russischen, armenischen und georgischen Zeitungen ihren Vorschlag mit Leserbriefen ergänzen und dort den "Kriminellen" schreiben, "daß sie genauso gut weg bleiben können, weil wir ihr Verhalten hier nicht akzeptieren". Die Umgebung der Asylantenzentren wurde in den letzten Monaten von einer solchen Woge von Kriminalität überschwemmt, daß die Polizeibehörden ihrer nicht mehr Herr wurden. Die Bürger rebellierten. Da kam das Wort der Innenministerin, das auf die Öffentlichkeit fast befreiend wirkte.

Karen Jespersen, heute 53 Jahre alt und seit vorigem Jahr Innenministerin, ist eine erfahrene Politikerin. Seit 1990 sitzt sie im Folketing und war bereits einige Jahre lang Sozialministerin, bis der Premier Poul Nyrup Rasmussen sie an die Spitze des Innenressorts berief. Die Historikerin, Mitautorin einer Reihe von politologischen und historischen Büchern, von Beruf Journalistin, blieb bei der Forderung nach Isolierung krimineller Ausländer nicht stehen. In mehreren Interviews hat sie den "dänischen Kulturnormen" einen höheren Stellenwert eingeräumt als etwa den muslimischen. Strikt forderte sie, daß Dänemark kein multikulturelles Land werden solle. Das gab lediglich bei den Linksliberalen Protest. Die konservativ-liberale Opposition stimmte ihr zu, ebenso wie 80 Prozent der dänischen Bevölkerung, wie eine Umfrage ergab. Rasmussen meinte zwar, ihre Wortwahl sei etwas drastisch gewesen, doch stellte er sich hinter seine Innenministerin. Sie habe sein volles Vertrauen. Die Dänen warten nun auf Taten.


 
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