© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
DDR-Kleiderordnung
Oranienburg: Das "vorbildliche" Gymnasium
Steffen Königer

Zehn Jahre nach der Wende scheint in Oranienburg ein Stück DDR wiederbelebt worden zu sein. Am Luise -Henriette-Gymnasium der Stadt greift jetzt eine besondere Art der "Zivilcourage gegen Rechts" um sich: Schüler, die Bomberjacken oder Schnürstiefel tragen, werden dazu angehalten, diese auszuziehen. Dabei wird darauf hingewiesen, daß laut Schulordnung das Tragen verfassungswidriger Symbole gesetzlich verboten sei. Auf eine Nachfrage der JF teilte der Direktor des Gymnasiums, Wolfgang Nitsch, mit, daß es sich bei dieser Kleidung um "codierte Mitteilungen" handele, deren Zweck es ist, "Signale zum Zusammenschluß" zu senden. Gesetze seien hier nicht vonnöten, so Nitsch, es sei ja keine "Order", sondern eine Übereinkunft mit den betroffenen Schülern. Hier von "betroffenen Schülern" zu sprechen, erweckt wieder einmal den Eindruck, es handele sich um eine Krankheit, die auszumerzen als lohnenswert gilt.

Das Argument, es seien eindeutige Signale, die solche "Uniformierung" hervorriefe, wäre auf keinen Fall von der Hand zu weisen, wenn es sich um eine Schülergruppe von 20 bis 30 Jugendlichen handelte. Auf die Frage, wieviel Schüler denn schon auf diese Weise "auffällig" geworden seien, kam zum Vorschein, daß es sich um einen Schüler dreht. Gratulation der Gesinnungspolizei: Ganze Arbeit! Von wem diese Aktion ausgeht, dazu wollte der Direktor sich nicht äußern, aber daß eine solche "Bitte" an die Schüler die Form einer Forderung hat, konnte er nicht leugnen.

Vor 12 Jahren ist ein ähnliche Verfahrensweise zu verzeichnen gewesen. Nicht nur die Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" stieß bei den Genossen der DDR auf keine Gegenliebe. Auch als ein Schüler sich in der Nähe von Potsdam in einem Bundeswehr-Parka zur Schule ging (olivgrüne Jacke mit schwarz-rot-goldener Fahne), versuchte man "erzieherisch" auf ihn einzuwirken, wies ihn darauf hin, daß es schwerwiegende Folgen hätte, wenn er nicht sofort die Fahne der imperialistischen BRD heraustrennen würde. Er folgte dieser Anordnung nicht.

Nun, Vergleiche hinken immer, hier geht es um freie Meinungsäußerung und die damit verbundene Freiheit, Sachen zu tragen, die man tragen möchte. Auf diese Vorkommnisse angesprochen, reagierte Herr Nitsch denn auch sehr ungehalten und sprach von der parteipolitischen Unabhängigkeit der Schulen in diesem Land. Nur verwunderlich, daß an diesem unabhängigen Ort am 8. Juli diesen Jahres ein Landesparteitag der SPD stattfand bei dem kein geringerer als Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Rede gehalten hat.


 
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