© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/00 22. September 2000

 
Ein intellektuell trostloses Klima
USA: An vielen Universitäten diktiert die Political Correctness die Lehrpläne
Matthew Richer

In einem Interview des amerikanischen Fernsehens schwärmte jüngst die Filmschauspielerin und Yale-Studentin Claire Danes: "Die großartigste Arbeit, die ich geschrieben habe, war über Masturbation bei Frauen für mein Frauen-Gesundheits-Seminar. Die Forschung war beachtlich. Ich habe einige Videobänder angesehen. Eines hieß "Viva la Vulva" mit so einer richtigen Mama um die Fünfzig. Sie leitete eine Arbeitsgruppe, um Frauen zu lehren, wie man richtig masturbiert. Ich war halt sehr, sehr neugierig."

Die Creme der amerikanischen Universitäten ist – zumindest in den kultur- und sozialwissenschaftlichen Fächern – nicht mehr das, was sie einmal war. Zur Creme zählt man die "Ivy League", eine Gruppe der sieben ältesten und angesehensten Universitäten im Nordosten der USA bestehend aus Harvard, Yale, Columbia, Princeton, Dartmouth, University of Pennsylvania und Cornell. Seit vielen Jahren schon überschwemmt die sogenannte Pop-Kultur auch diese Lehranstalten, und in der Folge entstand ein intellektuell trostloses Klima, wo ernsthafte Studenten und Dozenten zur bedrohten Spezies wurden. Ein kurzer Blick in die Vorlesungsverzeichnisse zeigt, wieviel Müll amerikanische Studenten in ihre Hirne kippen – bei Kosten von 30.000 US-Dollar aufwärts pro Jahr. Das Darthmouth College etwa bietet jede Menge Kurse wie "Die Soziologie von Star Trek" oder "Frauen in der Pop-Musik und Musik-Videos". Im Angebot der Brown Universität finden sich "Cinematische Erzählkunst" und "Rock & Roll is Here to Stay". Für letzteres gehen die Studenten in den Unterricht und hören Rock-Musik, ersteres besteht aus tagelangem Filmegucken.

Der akademische Betrieb wird ebenso wie die Pop-Kultur zunehmend erotisiert. Ganz vernarrt sind die Universitäten in feministische Projekte und sogenannte "Queer-Studies" (Forschungen zur Homosexualität). In Yale beispielsweise könnte Claire Danes wählen zwischen "Hin zur Ästhetik der Schlachter-Frauen" oder "Männliche Lesben und der postmoderne Körper". Als Teil ihrer Reihe "Queer Studies" hält die Universität von Michigan jetzt Einführungskurse in Sachen Homosexualität. Professor David Halperins beschreibt seine Vorlesung "How to be gay 101" als eine "Untersuchung schwuler Identität", die darauf abzielt, den Studenten zu zeigen, "nur weil man ein schwuler Mann ist, heißt das noch lange nicht, daß man nicht lernen muß, wie man einer wird".

Es geht noch schlimmer: Die Cornell-Universität bietet jetzt sogar Einführungskurse in Pädophilie! Professor Ellis Hanson sagt dazu, der Zweck seiner Vorlesung "Das sexuelle Kind" sei es, "die vorgefaßten Meinungen, was ein Kind ist und was es heißt, ein Kind zu lieben und zu begehren", in Frage zu stellen. Die empfohlenen Lektüren beinhalten "Wie man seine Kinder schwul erzieht" und "Das Zustimmungsalter: Die große Kinderporno-Panik von ‘77". Der Hochschullehrer rechtfertigt seinen Kurs mit den Worten, "erotische Faszination von Kindern ist allgegenwärtig. Man kann nur schwer irgend- eine Zeitung lesen oder den Fernseher anschalten, ohne sich angehalten zu fühlen, das zu akzeptieren, zu studieren und zu zelebrieren."

Das vielleicht schlimmste Beispiel akademischer Irrwege gibt die Wesleyan Universität mit ihren Einführung in harte Pornographie. In sogenannten "Porn Studies" lesen Studenten einschlägige Literatur, schauen XXX-klassifizierte Videos an und drehen sogar selbst Pornofilme. Letztes Jahr produzierten Wesleyaner Studenten einen Film mit Nahaufnahmen von Gesichtern masturbierender Männer und einer sado-masochistischen Mißhandlung.

Studenten der "Ivy League" und anderer renommierter Universitäten haben reichlich Gelegenheit, solche Kurse zu besuchen, denn verpflichtende Kernfächer gibt es kaum noch. Die New Yorker Columbia-Universität ist tatsächlich die einzige aus dem Kreis der "Ivy League", die noch eine solide Bildung in den Grundlagen der westlichen Zivilisation verlangt. Auf dem Vormarsch sind dagegen so extrem zeitgeistorientierte Institute wie die Brown-Universität, deren neuer Lehrplan inzwischen überhaupt keine Kernfächer mehr kennt.

Nicht überraschend ist es, daß man, je "fleischlicher" die Lehrinhalte wie auch die gesamte Alltagskultur wurden, die Religion fast ganz verdrängte. So kündigte die kalifornische Staatsuniversität in Berkeley vor einiger Zeit an, ihre Religions-Fakultät komplett zu schließen. Den Gebrauch der Zeitangaben "BC" (vor Christus) und "AD" (nach Christus) wollte jüngst in Harvard ausgerechnet die Theologen-Schule verbieten. Der politischen Korrektheit folgend empfahl man, fortan allgemeinere Ausdrücke wie "BCE" und "CE" zu gebrauchen. "BCE" steht für "Before the Common Era", und "CE" bezeichnet eine "Common Era". (Allerdings trennt nach wie vor die Geburt Christi die beiden Zeitalter.) Harvard hat nun einen bekennenden Schwulen als Universitätskaplan eingestellt, der genau wie in Yale und Cornell Homo-Ehen in der Kapelle der theologischen Fakultät segnet. Da verwundert es kaum, daß ein Harvard-Student vor kurzem bei eine Studentenwahl durchfiel, nachdem er sich als praktizierender Christ "outete".

Dartmouth College hat das Christentum komplett vom Universitätsgelände verbannt. Vor zwei Jahren verbot die Schulleitung den Studenten, einer alten Tradition folgend, Weihnachtslieder zu singen während des Anzündens der Christbäume. Die Verwaltung bestand darauf, daß öffentlich keine Lieder mit christlichem Inhalt gesungen werden dürften, nur säkulare Lieder wie "Jingle Bells" und "Frosty the Snowman" fanden kein Erbarmen. Verständlicherweise verloren die Studenten das Interesse und so endete die Tradition. Letztes Jahr steigerte sich die Christenhatz erneut: Die Universität untersagte die Beförderung von Weihnachtsgeschenken durch die "campus mail", selbst nachdem alle Geschenke schon gekauft und verpackt waren. Scott Brown, Dartmouths Dekan für Religion, verteidigte die Maßnahme mit der Begründung, der Austausch von Weihnachtsgeschenken sei "ein Akt, an dem eine große Anzahl von Studenten Anstoß nehmen könnten". Nach einer Flut von Beschwerden von Ehemaligen und Eltern erlaubte die Universität zu guter Letzt doch noch eine Bescherung – im Januar.

Natürlich gibt es eine Vielzahl von amerikanischen Fakultätsmitgliedern und Studenten, die für intellektuelle Integrität und "common sense" stehen. Viele treten für das Studium der Klassiker der westlichen Zivilisation ein, wie es einmal an den meisten Universitäten üblich war. Aber routinemäßig werden diese Traditionalisten Opfer ideologischer Kampagnen und manchmal sogar von der Fakultät "entfernt". Es hört sich abenteuerlich an: Die staatliche Universität von Arizona feuerte Professor Jared Sakren, weil er darauf bestand, Shakespeare, Aeschylus und Ibsen zu lehren. Sakren, Absolvent der berühmten New Yorker Juliard-Schule, hatte zwölf Jahre Theaterwissenschaften in Yale unterrichtet, bevor er zum Leiter der Theaterklasse der Arizona State Universität ernannt wurde. Unter seinen ehemaligen Studenten finden sich so herausragende Schauspieler wie Annette Bening, Val Kilmer und Kelly Mc Gillis. Trotzdem warf ihn die Universität raus, weil sein Unterricht angeblich auf einem "sexistischen europäischen Kanon" basiere.

Annette Bening, deren Rolle in "American Beauty" dieses Jahr mit einem Oscar bedacht wurde, fand die Entlassung einfach lächerlich. Dem Magazin Campus teilte sie mit, daß Sakren "ein ganz außergewöhnlich guter Lehrer" sei mit Fähigkeiten, die die meisten Theaterlehrer nicht besäßen. Bening bleibt dabei, das Studium der großen Dramatiker der westlichen Zivilisation sei essentiell für jeden Schauspieler. "Jemandem auszureden, den Theaterstudenten Shakespeare zu zeigen, das ist wie der Rat an einen jungen Maler, nicht länger Rembrandt zu studieren, weil auch der an die patriarchale Gesellschaft glaubte. Keiner würde so was sagen", meint der junge Filmstar. Die Universität von Arizona stufte Shakespeares Stücke als "sexistisch" ein und ersetzte sie umgehend durch Werke wie "Betty the Yeti". Diese politisch korrekte "Öko-Fabel" handelt von einem Holzfäller, der Sex mit einem Yeti hatte und daraufhin Umweltaktivist wird.

 

Matthew Richer ist freier Journalist und Politikberater. Er lebt in New York City.


 
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