© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Dollarisierung
Karl Heinzen

Der Euro schreibt Geschichte: Erstmals sind die US-amerikanische Federal Reserve, die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank gemeinsam auf den Finanzmärkten eingeschritten, um den Kurs einer Währung zu stützen. Die Welt zeigt Mitgefühl mit den Europäern, die um den Erfolg ihres großen Zukunftsprojekts ringen. Diese symbolische Botschaft der Interventionsgeste darf nicht unterschätzt werden, zumal die praktischen Kursauswirkungen keineswegs auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Der Euro wird einer rekordhungrigen Öffentlichkeit vielleicht auch weiterhin immer neue Allzeittiefstände bieten.

Die Schwäche des Euro an den Devisenmärkten gründet im weltweiten Vertrauen der Investoren auf die Ertragschancen, die die USA offerieren. Wer hieran etwas ändern will, müßte die amerikanische Wirtschaft bitten, ihr Wachstum zurückzunehmen und nicht so gute Renditen zu bieten. So weit wird die Solidarität mit den Europäern vermutlich aber nicht gehen können. Stützungskäufe hingegen sind nur sinnvoll, wenn sie mit der Bereitschaft verbunden sind, jedesmal ohne Wenn und Aber in prinzipiell unbegrenzter Höhe zu intervenieren, sobald ein als unangenehm empfundener Grenzwert erreicht wird. Die Europäische Zentralbank steht hier vor dem Problem, daß sie eigentlich gar kein Wechselkursziel vor Augen haben, sondern strikt der Preisstabilität in der Euro-Zone verpflichtet sein sollte. Wenn sie dennoch eingreift, so geschieht das auf politischen (bzw. "öffentlichen") Druck, was zwar ihren Status einer pro forma weisungsunabhängigen Institution unterhöhlt, sich jedoch mit den Erwartungen deckt, die ihr von Anfang an entgegengebracht wurden.

Der Euro ist ein politisch gewolltes Projekt, dessen Probleme nun auch politisch aufgefangen werden müssen und nicht dem Markt angelastet werden dürfen. Da in nahezu keinem Land der Europäischen Union heute noch eine Regierung am Ruder ist, der vorzuwerfen wäre, einst den Euro auf den Weg gebracht zu haben, ist es eigentlich an der Zeit, sich von diesem Projekt und dem ihm zugrunde liegenden Denkfehler zu verabschieden: Die europäische Integration ist eine Idee der Vergangenheit. Aus ihr spricht der verzweifelte Wunsch, sich vor der als unheimlich empfundenen Globalisierung mit einem Gebräu aus konstruierten Identitäten und Verbrüderungsmythen hinter einem Bollwerk unüberwindbarer bürokratischer Schranken zurückzuziehen. Solch eine Politik schadet aber nicht nur den Menschen in Europa, sie beschwört unübersehbare Risiken für die Sicherheit und Stabilität im 21. Jahrhundert herauf. Ein Verzicht auf den Euro wäre hingegen das Signal, daß die Menschen den Schritt von der nationalen zur globalen Gesellschaft vollziehen wollen, ohne auf europäische Abwege zu geraten. Unser Markt ist größer als der Kontinent, auf dem wir zufällig leben. Die Zeiten des währungspolitischen Separatismus sind vorbei. Nur der Dollar kann den Anspruch, die Gemeinschaftswährung der Zukunft zu sein, auch einlösen.


 
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