© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Meldungen

Zentralrat will weiter Österreich boykottieren

BERLIN. Anläßlich des Festakts zum 50jährigen Bestehen des Zentralrats der Juden in Deutschland kritisierte der Präsident des Zentralrates, Paul Spiegel, die katholische Kirche, weil diese "nicht frei von antijudaistischen Vorurteilen" sei. Er griff Kurienkardinal Joseph Ratzinger an, weil dieser die Juden als "vor der Tür der Erkenntnis" stehend beschreibe und kritisierte Papst Johannes Paul II., weil der den "als Antisemit geltenden" Papst Pius IX. seligsprach. Die Aufhebung der Sanktionen gegen Österreich nannte der Zentralratspräsident "das falsche Signal" – die FPÖ sei "keineswegs von ihren rechtspopulistischen Positionen abgewichen". Spiegel lobte die Bundesregierung für ihre kompromißlose Haltung bei den EU-Sanktionen. Die Forderungen aus der CSU, der Bundeskanzler solle sich in Wien entschuldigen, lehnte Spiegel kategorisch ab. Der Zentralrat der Juden in Deutschland war am 19. Juli 1950 in Frankfurt gegründet worden, als politische Vertretung der damals 15.000 in Deutschland lebenden Juden. Die heute 83 jüdischen Gemeinden in Deutschland haben mittlerweile 85.000 Mitglieder – zwei Drittel der Gemeindemitglieder kommen inzwischen aus Osteuropa.

 

Interesse an Stasi-Akten ungebrochen

DRESDEN.Das Interesse an den Stasi-Akten ist in Sachsen nach wie vor ungebrochen. Monatlich werden noch immer rund 800 Anträge auf Akteneinsicht gestellt, sagte Ulrike Bayer von der Dresdner Außenstelle der Gauck-Behörde. Zur Eröffnung der Behörde 1992 wurden über 1.000 Anträge gezählt. Seit 1999 habe sich die Zahl der Anträge bei 800 pro Monat eingepegelt. "Nach dem fortgeschrittenen Erschließungsstand in der Behörde haben wir auch viele Wiederholungsanträge auf Akteneinsicht", sagte Bayer. Zwei Jahre nach der ersten Akteneinsicht darf ein neuer Antrag gestellt werden. Dies nutzten unter anderem Menschen, die glauben, daß zu ihrer Person in der Zwischenzeit noch weitere Akten gefunden wurden. Solche Anträge würden aber auch von Bürgern gestellt, zu denen beim ersten Versuch keine Unterlagen vorlagen. Das Interesse an den Akten gehe quer durch alle Schichten der Bevölkerung, sagte Bayer.

 

Kohl für Enteignungen und gegen Amnestie

HAMBURG. Altkanzler Helmut Kohl lehnt eine Generalamnestie für SED-Straftäter ab, hält aber Begnadigungen für möglich. Der Bild-Zeitung erklärte Kohl: "Ich glaube nicht, daß eine generelle Lösung möglich ist. Aber ich plädiere nachdrücklich für Einzelfallentscheidungen. Ich bin der Meinung, man sollte da im Einzelfall ruhig auch noch einen Schritt weitergehen." In dem Interview verteidigte Kohl auch die in seiner Regierungszeit ausgehandelte Regelung der Eigentumsfragen in der ehemaligen DDR. Er sei auch heute noch der Meinung, "daß die getroffenen Regelungen die einzig möglichen waren." Kohl wörtlich: "Jede andere Regelung hätte keine Zustimmung gefunden – vor allem nicht die der Sowjetunion und im ersten frei gewählten Parlament in der DDR, der Volkskammer."


 
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