© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Südliches Flair
Oper: Belcanto-Festival im niederländischen Dordrecht
Julia Poser

Der italienische Komponist Gaetano Donizetti machte 1827 den Blick hinter die Kulissen eines kleinen Schmierentheaters zum Stoff seiner heiteren Oper "Viva la Mamma", auch "Sitten und Unsitten am Theater" genannt, in welcher er die auch heute noch aktuellen Typen vorführte: die eitle, schwierige Primadonna, den dümmlichen Tenor, den genervten Komponisten und – den Schrecken aller Opernhäuser – die Mutter einer zweitklassigen Sängerin, die ihrem Töchterchen zu einer Extra-Arie verhelfen will. Bühnenkräche, Geldschwierigkeiten, Eitelkeit und Eifersüchteleien sind noch in keiner Oper so treffend geschildert worden.

Michael Aspinall, Musikwissenschaftler, Gesangslehrer und einfallsreicher Regisseur, stellte mit den Schülern der Belcanto-Sommer-Schule eine rundrum gelungene Komödie auf die Bühne und zeigte voll Stolz, was die jungen Sänger in fünf Wochen gelernt hatten. Die weibliche Hauptrolle, die Mamma Agata, wird stets von einem Baßbariton gesungen – eine deftige Travestie! Paolo Bordogna, in eine rosa Seidencorsage gezwängt, war eine großartige, stimmgewaltige und resolute Mamma. Kristine Becker-Lund ließ als Primadonna blitzende Koloraturen hören. Ihren devoten Ehemann sang Arda Aktar mit wohlklingendem Bariton. Eine Entdeckung der Belcanto-Sommer-Schule war der junge Giovanni Botta als deutscher Tenor in der zu probenden ernsten Oper. Botta hat eine klangvolle Stimme, die an seinen Lehrer William Matteuzzi erinnert. Den Kastraten, der die Truppe schmählich im Stich läßt und es somit Mamma Agata ermöglicht, auch einmal auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu stehen, brachte Miroslava Yordanova mit fülligem Mezzo. Mammas Töchterlein wurde mit schlankem Sopran von Gabrielle Mouhlen gesungen. Gioacchino Zarelli war der genervte Librettist, Markus van den Akker der leidgeprüfte Komponist mit schöntimbriertem Bariton. Maestro Gabriele Bellini brachte mit dem Belcanto Orkest südliches Flair in den ehrwürdigen Renaissancehof.

Das zehntägige Belcanto-Festival bietet außerdem interessante Vorträge über Belcanto-Technik mit Beispielen von berühmten Sängern, Konzerte in alten Patrizierhäusern, ein Pasta-Essen mit italienischen Arien und später mit einem Feuerwerk auf dem breiten Flußdreieck, an dem Dordrecht liegt. Zum guten Ende beweisen dann in die fünfzehn jungen Sänger erneut, was sie bei ihren Lehrern Luca Gorla, Adelisa Tabiadon und William Matteuzzi gelernt haben.

Das an historischen Bauten reiche Dordrecht lohnt im September 2001 den Besuch des Belcanto-Festivals.


 
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