© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/00 29. September 2000

 
Österreich: Die freiheitliche Kuschel-Offensive nach dem Abzug der EU-Weisen
"Ich will auch ein Tier!"
Frank Philip

Es kursiert in fortschrittlichen Kreisen folgendes Schauermärchen: In stockfinsteren Nächten, wenn alle guten Menschen in ihren Betten liegen, da stieg von den sumpfigen Ufern der Donau etwas auf, huschte durch die Gassen der Wiener Altstadt, schnupperte an so manchem Stammtisch und verklebte die Straßen mit Plakaten. Anschließend kroch es in die Gemeindebauten der Vororte und raubte der Sozialdemokratie dort Tausende von Schäfchen. Das war eine schlimme Sache, und in den Hütten der Sozis gab es großes Gejammer. Niemand hatte das "Wesen der FPÖ", denn so nannten sie das schreckliche Tier, jemals gesehen. War es von Kopf bis Fuß mit struppigem Pelz bedeckt, hatte Augen wie glühende Kohlen und einen gräßlichen Schlund? Der finnische Premier Lipponen etwa beschreibt das Wesen der FPÖ treffend als "eine in Nadelstreifen ins Herz der Demokratie geschmuggelte haarige Bestie". Als Oberfinne kennt er sich aus.

Trotz aller Warnungen zeigte sich bei jeder Wahl, daß das Wesen der FPÖ mehr und mehr Anhänger fand. Auch die drei Weisen, welche die Sozis in ihrer Verzweiflung zu Rate gezogen hatten, konnten auf die Frage nach dem Wesen der FPÖ keine befriedigende Antwort geben. Sie stellten in ihrem Bericht lediglich fest, daß die "Stop der Überfremdung"-Plakate der FPÖ 1999 eine Stimmung geschaffen hätten, wo ausländerfeindliche Bemerkungen alltäglich gewesen seien. Diese Erkenntnis ist jedoch ziemlich vage, denn – Hand aufs Herz – in welcher Stadt mit einem Ausländeranteil von etwa 20 Prozent gibt es keine Spannungen? Den Sozis und anderen guten Menschen bleibt nur die Hoffnung, daß das Auftauchen der drei Weisen dem Wesen der FPÖ einen Schreck eingejagt und es ein wenig zivilisiert hat. Die Illustrierte Format zeigt aktuell Jörg Haider und Susanne Riess-Passer in putzigen Uniförmchen der Wiener Sängerknaben und fragt: "Wie böse ist die FPÖ?"

Mitte nächsten Jahres stehen in Wien, wo die FPÖ mit besagten "Überfremdungs"-Plakaten der SPÖ so viele Wähler abjagen konnte, Gemeinderatswahlen an. Der genau Termin liegt noch nicht fest, aber die Freiheitlichen plakatieren schon wieder fleißig. Zwar hat Hilmar Kabas, der Vorsitzende der Wiener FPÖ, angekündigt, die Ausländerproblematik auch diesmal nicht auszusparen. (Die Forderung des SPÖ-Bürgermeisters, billige Gemeindewohnungen künftig auch an Ausländer zu vergeben, verspricht heiße Diskussionen.) Doch augenscheinlich setzt FPÖ-Chef Kabas jetzt seinen Schwerpunkt bei den sogenannten weichen Themen und wirbt mit dem Versprechen kostenloser Kindergartenplätze um die Stimmen der Mütter. Überall in der Stadt sieht man ihn an den Werbeflächen, umringt von lachenden, jungen Müttern und ihren teils schlafenden Kindern. Alles wunderschön, doch halt: Was für eigenartige Tiere mit langen Rüsseln haben die Kinder in ihren Händen? Das eine ist grün und hat blaue Ohren, das zweite gelb mit roten Ohren. Wir verraten den Lesern der JUNGEN FREIHEIT: Das ist die neue FPÖ-Geheimwaffe!

Alles begann vor einem halben Jahr. Die Österreicher waren nicht gerade begeistert über die Sanktionen der EU-14. Auch Bundespräsident Thomas Klestil, übrigens ein ÖVP-Politiker, geriet in die Schußlinie der Patrioten, da ihm nachgesagt wurde, nicht ganz unschuldig am Boykottschlamassel zu sein. Das wäre doch wirklich ungeheuerlich, wenn der Bundespräsident tatsächlich bei der Isolation des eigenen Landes geholfen hätte, schäumte die FPÖ. Am Rande eines Parteitags der Wiener Freiheitlichen schnappte da ein Journalist einen Gesprächsfetzen von Kabas auf, der lautete, das Staatsoberhaupt sei ein "Lump". Großer Skandal! Alle guten Menschen waren entsetzt und bestürzt, Wut und Trauer regnete es: Kabas solle sich entschuldigen, zurücktreten und auswandern. Doch auch anderen Politikern rutscht manchmal eine unfeine Bemerkung raus, wenn sie glauben, nicht belauscht zu werden. Was, bitteschön, ist ein Lump gegen ein "major league asshole"? Oder das Brüsseler Mißgeschick von Wolfgang Schüssel? Beim Frühstück sagte er dort zu einem Begleiter, der damalige Bundesbankpräsident Tietmeyer sei "eine richtige Sau".

Wirklich geschadet haben diese verbalen Ausrutscher beiden nicht. Hilmar Kabas versuchte sich herauszureden, nicht "Lump" habe er gesagt, sondern eher "Hump" oder "Dump", so genau wisse er das auch nicht mehr, aber bestimmt nicht "Lump"! Gelächter in den Medien. Der Standard brachte eine witzige Karikatur: Kabas, gezeichnet als Altkleiderhändler, steht mit einem Handwagen voll Textilien in einem Hof und schreit zu den Fenstern: "Humpen, kaufe Humpen!"

Die FPÖ-Werbeberater wußten einen Ausweg. Schon lange hatte Kabas gesagt: "Ich will auch ein Tier!" und neidisch auf den "Jörgl" mit seinem Bären und die "Susi" mit ihrer Königskobra geschaut. Jetzt sollte sein Wunsch in Erfüllung gehen. Die Werbeberater kreierten als Maskottchen der Wiener FPÖ zwei Stofftiere, einen grünen und einen gelben Elefanten mit Namen "Humpi" und "Dumpi". Diese beiden tauchen nun nicht nur auf den Plakaten auf, Humpi und Dumpi wurden als Geschenk auch den drei Weisen bei ihrem Blitzbesuch übergeben. Ebenso schmücken sie eine neue Netzseite der FP-Wien: Hilmar umrahmt von Humpi und Dumpi – dicke Freunde, die nichts und niemand trennen kann.

Zur Krönung hat Kabas noch die Patenschaft für eine Elefantendame im Tierpark Schönbrunn übernommen. Ob diese sich über den ganzen Rummel wirklich freut, ist fraglich. Wie im letzten Jahr gab es auch vorletzten Freitag ein Kinder- und Seniorenfest der FPÖ. Die Kinder modellierten Elefanten aus Ton und durften sich auch die Fütterung der Tiere anschauen.

Nicht allen gefällt also die Humi-Dumpi-Selbstironie der Wiener FPÖ. Die SPÖ will nicht so recht glauben, daß es zwei Elefanten gewesen sein sollen, die ihnen die Wähler raubten. Eine Kommission von drei Zoologen soll klären, ob es sich bei Elefanten möglicherweise um sexistische, nationalistische und ausländerfeindliche Tiere handelt. Erste Indizien sprechen gegen die FPÖ: Verteidigt ein Elefantenbulle nicht sein Revier gegen Eindringlinge, haben sich die afrikanischen und die indischen Elefanten bislang nicht gegen jegliche Vermischung gewehrt? Ein Anruf der JUNGEN FREIHEIT im Tierpark von Paris ergab, daß auch die französische Ratspräsidentschaft hellhörig geworden ist. Die Entwicklung des FPÖ-Wesens gebe nach wie vor Anlaß zu Sorge, heißt es in Paris. Ein Zoo-Sprecher wörtlich: "Wir beobachten das Verhalten unserer Elefanten mit erhöhter Wachsamkeit. Es ist unsere feste Überzeugung, daß ein Elefant nicht zu den europäischen Werten paßt. Die Beteiligung von Elefanten in der Politik ist und bleibt im Europa von heute etwas Unnormales. Das Schlimmste wäre, wenn diese neuerliche Provokation der Herren Haider und Kabas als etwas Banales aufgefaßt würde." Recht hat er!


 
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